Schwarz-Gelb in Not:Zertrümmertes Vertrauen

Die schwarz-gelbe Koalition ist eine Zweckgemeinschaft zum Erwerb und Erhalt der Macht. Das mit dem Erwerb hat für Union und FDP 2009 hingehauen. Das mit dem Erhalt geht nicht mehr lange gut. Angela Merkel fehlt, was sie zum Regieren braucht.

Nico Fried

Er hat Angela Merkel mal so richtig Spaß gemacht. Ein fröhlicher, freundlicher und intelligenter Mensch, emsig, gelehrig und doch selbstbewusst. Von niemandem im neuen Kabinett hat die Kanzlerin in den ersten Monaten der schwarz-gelben Regierung so geschwärmt wie vom damaligen Gesundheitsminister Philipp Rösler. Und die Sympathie war wechselseitig. Rösler verbarg nicht einen gewissen Respekt, den er für die Kanzlerin empfand. Seit Montag dürfte manches davon verdampft sein. Beiderseits.

Pressekonferenz Bundesregierung zu Energiekonzept

Wann ist eine Koalition am Ende? In der Diskussion um die Griechenland-Hilfen positionierten sich sowohl Wirtschaftsmisniter Rösler (li.) als auch Verkehrminister Ramsauer gegen den Kurs der Kanzlerin.

(Foto: dpa)

Kanzlerin und Vize haben lange über das Wort von der Insolvenz Griechenlands gesprochen. Genützt hat es nichts. Die FDP schart sich trotzig um ihren Vorsitzenden, auch wenn manche Solidaritätsbekundung nur der Versuch ist, Röslers Worte in den Bereich des Tolerablen hinüber zu interpretieren. Und dann ist da noch die CSU. Wie Rösler gibt Peter Ramsauer ein diffuses Unbehagen wieder. Politik aber, erst recht Regierungspolitik, ist eigentlich das Gegenteil.

Wann ist eine Koalition am Ende? Darauf gibt es nicht die eine verbindliche Antwort. Eine Koalition ist kein Frühstücksei: nach vier Minuten weich, nach sieben Minuten hart. Eine Koalition ist kein Buch, wo der Leser zwischendurch schauen kann, wie viele Seiten noch zu ertragen sind. Eine Koalition ist eine Zweckgemeinschaft zum Erwerb und Erhalt der Macht. Das mit dem Erwerb hat für Union und FDP 2009 hingehauen. Das mit dem Erhalt geht nicht mehr lange gut. Es geht schon viel zu lange so.

Mit der Vertrauensfrage den Zustand der Koalition vermessen?

Das Grundgesetz bietet der Regierung ein Instrument, mit dem sie scheinbar den Zustand einer Koalition vermessen kann: die Vertrauensfrage. Freilich zeigt dieses Instrument nicht das Vertrauen der Befragten an, sondern nur deren Disziplin. Rot-Grün hat das offenbart: 2001 brachte Gerhard Schröder in der Abstimmung über den Anti-Terror-Einsatz mit der Vertrauensfrage eine Mehrheit für sich zusammen. 2005 hingegen bestand der Vertrauensbeweis gerade darin, ihm nicht das Vertrauen auszusprechen.

Dennoch gibt es vor allem zwischen 2001 und heute Parallelen: Damals stand die Solidarität im transatlantischen Bündnis - also ein Element der sogenannten Staatsräson - gegen den Pazifismus als ein politisch sehr honoriges Prinzip vieler Abgeordneter. Heute steht mit der Solidarität in Europa wieder ein konstitutives Element dieses Staates gegen die Sorge vieler Parlamentarier, eben dieser Staat überhebe sich zum Schaden aller.

Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass es damals um die Frage ging, ob Deutschland als einer von vielen Verbündeten der transatlantischen Führungsmacht Amerika folgt. Diesmal geht es darum, ob Deutschland als stärkstes Land in Europa seiner eigenen Führungsrolle gerecht wird. Bei aller Kritik und manchem Unwillen setzen doch die allermeisten europäischen Partner auf Merkel und die deutsche Regierung, manche aus Überzeugung, manche weil ihnen nichts anderes übrigbleibt. Die Europäer erwarten mehr von der Kanzlerin, als viele der eigenen Leute ihr zutrauen.

Zum Verhältnis Merkels zu Rösler lässt sich nun festhalten: Mitten in einer Krise veröffentlicht der Vizekanzler einen Artikel ohne Wissen der Kanzlerin und abseits der Regierungslinie. Die Kanzlerin maßregelt ihn öffentlich zwar nicht vehement, aber fürs Publikum doch deutlich erkennbar. Der Vizekanzler bleibt bei seiner Linie. Es geht gar nicht darum, wer recht hat. Es geht darum, dass eine solche Regierung, eine solche Koalition nicht handlungsfähig wirkt und wohl auch nur in Maßen ist. Es geht also entscheidend nicht um das Vertrauen in der Regierung, es geht um das Vertrauen in die Regierung.

Kein Vertrauen ohne Selbstvertrauen

Kohl und Genscher hatten es, als es um die Einheit ging. Schröder und Fischer hatten es nach dem 11. September 2001; Merkel, Steinmeier und Steinbrück hatten es in der Finanzkrise. Merkel, Rösler - und wenn's sein muss, auch noch Seehofer dazu - haben es nicht. Wie auch, wenn zwei Partner, CSU und FDP, nicht recht wissen, was sie wollen und ob sie überhaupt etwas wollen sollen. Parteien können kein Vertrauen erwarten, wenn ihnen sogar das Selbstvertrauen fehlt, was für die FDP noch mehr gilt als für die CSU.

Anders als Schröder wird Merkel dennoch die Vertrauensfrage im Bundestag nicht stellen. Und es ist auch gar nicht nötig. Denn trotz allen Geredes über die feinen Unterschiede zwischen einer Kanzler- und einer eigenen Mehrheit dürfte Merkel wissen, dass sie bei mehr als 20 fehlenden Stimmen der Koalition in einer so grundsätzlichen Frage wie der Rettung des Euro nicht mehr das hat, was sie zum Regieren braucht - nenne man es Gefolgschaft, Disziplin oder Vertrauen.

Und dann? Neuwahlen sind nicht nur ein Problem, weil das Land dank schwarz-gelber Versäumnisse kein gültiges Wahlgesetz mehr hat. Neuwahlen sind vor allem ein politisches Problem, weil es sich Europa eigentlich nicht leisten kann, dass in Frankreich vor der Präsidentenwahl und in Deutschland vor einer Bundestagswahl über Wochen und Monate Politik nur simuliert wird. Da die FDP nicht den Eindruck macht, als sei sie in der Lage, sich noch einmal zusammenzureißen, müsste es die SPD tun. Das ist innenpolitisch derzeit Merkels einzig erfreuliche Perspektive.

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