Schwarz-gelbe Libyen-Politik:Rühe diagnostiziert "Unfähigkeit" in Merkels Regierung

Der Unmut über den Libyen-Kurs der Bundesregierung wächst zusehends: Volker Rühe, einst CDU-Generalsekretär und Verteidigungsminister, wettert wortgewaltig. Weitere namhafte Unions-Politiker halten der Regierung von Kanzlerin Merkel und Außenminister Westerwelle "historischen Zynismus" vor.

Volker Rühe und Angela Merkel kennen sich schon seit langem - bis 1998 saßen beide als Bundesminister unter Kanzler Helmut Kohl in der Regierung. Rühe, der Verteidigungsminister a. D., ist inzwischen Polit-Rentner, selten meldet er sich zu Wort. Doch nun, kurz vor den richtungsweisenden Landtagswahlen, schaltet sich der Hamburger Christdemokrat in die Libyen-Debatte ein - mit harscher Kritik an seiner früheren Kabinettskollegin und heutigen Bundeskanzlerin Angela Merkel.

MERKEL RUEHE

Aufnahme aus harmonischeren Tagen: CDU-Politiker Volker Rühe und Angela Merkel im Jahre 2000

(Foto: AP)

Rühe nannte die Stimmenthaltung Deutschlands im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen "schweren Fehler von historischer Dimension mit unvermeidlichen Spätfolgen". Als er 1963 der CDU beitrat, habe er dies vor allem wegen der Außenpolitik getan, wegen der Einbindung in Europa und in der Nato, sagte Rühe dem Spiegel. "Die tragenden Säulen der Unionspolitik werden mit diesem Verhalten in einer Mischung aus Orientierungslosigkeit und Unfähigkeit zerstört", mahnte Rühe, der auch CDU-Generalsekretär war.

Ein weiterer früherer CDU-Bundesminister übte ähnliche Kritik am Kurs der Merkel/Westerwelle-Administration. Christian Schwarz-Schilling, der ehemalige Postminister und EU-Sonderbeauftragte für Bosnien, warf der Bundesregierung "historischen Zynismus" vor. Bei der Verhängung der Flugverbotszone über Libyen sei es darum gegangen, ein Massaker wie seinerzeit im bosnischen Srebrenica zu verhindern. "Da kann man sich nicht einfach zurückziehen." Es sei ein großer Fehler, dass die Bundesregierung im Kampf gegen Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi die internationale Solidarität aufgekündigt habe.

Kritik kam auch von dem CDU-Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach. "Das Abstimmungsverhalten berührt eine Frage von grundsätzlicher außenpolitischer Bedeutung, weil es um unser Verhältnis zu unseren engen europäischen und amerikanischen Partnern geht. Wir hätten an ihrer Seite stehen müssen", sagte Bosbach der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Deutschland werde sich jetzt alle Mühe geben müssen, "die Irritationen auszuräumen, die durch unser Verhalten entstanden sind."

Der ehemalige deutsche UN-Botschafter Gunter Pleuger sagte dem Spiegel, das deutsche Abstimmungsverhalten sei "eine klare Abkehr von der multilateralen Politik bisheriger Bundesregierungen". Das Argument, Berlin hätte sich bei einem Ja an Militäraktionen beteiligen müssen, gelte nicht. "Die Bundesregierung hätte vor der Abstimmung erklären können, dass Deutschland sich nicht militärisch an der Umsetzung der Resolution beteiligen wird. Darauf hätte man bei einer Zustimmung zur Resolution verweisen können."

Westerwelle verteidigt Libyen-Kurs

SPD-Außenexperte Hans-Ulrich Klose sagte, die deutsche Libyen-Haltung schade dem Ansehen der Bundesrepublik. In der Außenwahrnehmung werde die Stimmenthaltung der Bundesregierung so interpretiert, dass "nur die Deutschen sich wieder mal als nicht ganz verlässlich erweisen", sagte er im Südwestrundfunk.

Ex-Nato-General Karl-Heinz Lather sieht die Zurückhaltung Deutschlands beim internationalen Einsatz gegen Gaddafi kritisch. Er habe Sorge, dass bei den Bündnispartnern "ein Geschmäckle überbleibt", sagte Lather im Deutschlandfunk. Die "politisch getroffene Entscheidung" der deutschen Bundesregierung sei "nicht so einfach zu verstehen".

Inzwischen meldete sich auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle in der Causa Libyen erneut zu Wort. Der FDP-Chef verteidigte in der Neuen Osnabrücker Zeitung das Verhalten seiner Regierung: "Wir haben von Anfang an klar gemacht, dass Deutschland keine Soldaten in einen libyschen Kampfeinsatz schickt", sagte er. "Wir sehen eben auch eine Eskalationsgefahr, wo dann der Ruf nach Bodentruppen nicht mehr weit wäre." Deutschland habe für seine Haltung "Respekt und Verständnis" seiner Partner bekommen, so Westerwelle.

Katholische Kirche hält Libyens-Einsatz für vertretbar

In einer am Samstag veröffentlichten Emnid-Umfrage für den Focus stellten sich 56 Prozent der 1000 Befragten hinter den deutschen Libyen-Kurs. Nur 36 Prozent hielten dabei die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat für falsch.

Die katholische Kirche in Deutschland hält den Militäreinsatz gegen Libyen grundsätzlich für vertretbar. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, sagte dem Hamburger Abendblatt, er könne die Gründe derer nachvollziehen, die sich für das militärische Eingreifen entschieden haben. "Wenn die Truppen des Diktators Gaddafi tatsächlich kurz davor standen, im Osten Libyens ein Blutbad anzurichten, ist ein Militäreinsatz auf der Grundlage eines Mandats zum Schutz der Zivilbevölkerung grundsätzlich vertretbar." Allerdings wisse niemand, ob aus dem humanitär begründeten Ad-hoc-Schlag am Ende nicht eine lang anhaltende Verstrickung mit unkalkulierbaren Folgen werde.

Nach Focus-Informationen übernehmen mehrere hochrangige Luftwaffenoffiziere zentrale Aufgaben bei der Kontrolle der Flugverbotszone über Libyen. Die deutschen Offiziere müssten im Nato-Führungsstab im türkischen Izmir bleiben, weil andernfalls die Arbeitsabläufe dort nicht mehr gesichert wären. Die Bundeswehr argumentiert, die Mitarbeit deutscher Offiziere in den Nato-Stäben bedürfe keiner Genehmigung des Bundestags, da es sich dabei um ständige Aufgaben handele und nicht um einen bewaffneten Einsatz.

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