Schwarz-gelbe Koalition:Köchin fürchtet Kellner

Schwarz-Gelb ist kaum an der Macht, schon gibt es erste Erscheinungen des Verfalls. Höchste Zeit, dass die Kanzlerin der FDP die Verhältnisse in der Koalition erläutert.

Kurt Kister

Wenn diese Regierung so weitermacht, wie sie angefangen hat, dann wäre es besser, sie würde nicht mehr lange weitermachen. Sie zeigt schon nach vier Wochen jene Verfallserscheinungen, die normalerweise in der zweiten Hälfte einer nicht gut verlaufenden Legislaturperiode öffentlich werden. Das Muster sieht so aus: Ein Teil der größeren Regierungspartei, oft vertreten durch einige Ministerpräsidenten, wendet sich gegen die Koalitions- und Kanzlerpolitik. Die kleinere Koalitionspartei wiederum keift, beruft sich auf den Koalitionsvertrag und bezichtigt die Kritiker aus der größeren Partei des Wortbruchs. Der Kanzler, der oft auch Parteichef ist, bemüht sich um Vermittlung und wirkt führungsschwach.

Schwarz-gelbe Koalition: Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle regieren seit gerade einmal einem Monat gemeinsam.

Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle regieren seit gerade einmal einem Monat gemeinsam.

(Foto: Foto: AP)

So geschieht es gegenwärtig in Berlin, nur dass Schwarz-Gelb nicht 100 Wochen, sondern nicht einmal 100 Tage regiert. Der heftige Streit um die Steuerpolitik und auch die Affäre Jung sind keineswegs "Anlaufschwierigkeiten". Sie resultieren vielmehr aus systemischen Defiziten dieser Koalition. Ein wichtiges Defizit besteht darin, dass die Merkel-Leute vieles im Koalitionsvertrag unterschrieben haben, das sie entweder nicht wirklich anstreben oder nicht einmal so recht ernst nehmen.

Kaum etwas aber findet die FDP, vor allem ihr um Ernsthaftigkeit bemühter Vorsitzender Westerwelle, so verwerflich, wie nicht ernst genommen zu werden. Schließlich hat man ihn fast zehn Jahre lang nicht ernst genommen. Für die FDP ist der Koalitionsvertrag, anders als dies Gerhard Schröder anlässlich rot-grüner Konflikte gerne anmerkte, eben doch eine Bibel.

FDP-Steuerpolitik ist Klientelpolitik

Steuersenkungen à la FDP in Zeiten astronomischer Staatsverschuldung, wachsender Sozialausgaben wegen steigender Arbeitslosigkeit und ohnehin zurückgehender Steuereinnahmen will nicht einmal die Mehrheit in der CDU, geschweige denn die Mehrheit der Deutschen. In diesem Sinne vertritt die FDP zur Zeit eine Politik gegen die Mehrheit. Das ist nicht grundsätzlich verwerflich, aber es ist eben Klientelpolitik.

Die CDU hat sich zumindest teilweise im allerneuesten Testament des Dr. Westerwelle, dem Koalitionsvertrag, dieser Klientelpolitik leichtfertig verschrieben. In einigen CDU-geführten Bundesländern wie Schleswig-Holstein oder Thüringen haben die Ministerpräsidenten jetzt sehr spät erkannt, dass zum Beispiel die Steuervorteile der Hoteliers zu Nachteilen für Universitäten, aber auch für Hartz-IV-Empfänger werden können. Was man nicht mehr in der Landeskasse hat, kann man nicht mehr für Bildung und Soziales ausgeben. Das kostet die CDU auch Sympathie gerade unter den vielen kleinen Leuten, die sich von der SPD ab- und der CDU zugewandt haben.

Wenn Merkel nicht wachsenden Widerstand in den Reihen der CDU fördern will, muss sie der FDP das Koch- und Kellnerverhältnis in einer Koalition klar erläutern. Sie hat das bis dato nicht getan, vielleicht kann sie es auch gar nicht. In ihrer ersten Amtsperiode hat sie an der Spitze einer Koalition mit einem nahezu gleichstarken Partner regiert. Da war das Moderieren wichtig, und ihre größte Kunst lag darin, Probleme durch Nicht-Handeln irgendwie erodieren zu lassen. Das hat oft funktioniert, einige Male ist es aber auch grandios daneben- gegangen. Solche Fälle sind mit den Namen Erika Steinbach oder Franz Josef Jung verbunden. Der Fall des Ministers Jung wurde auch durch Merkels Erosionspolitik zur ersten großen Krise der zweiten Merkel-Regierung.

Anstelle des Nicht-Handelns wäre nun ab und an das Dominieren gefragt. Dominieren aber lässt sich die große CDU eher von der kleineren FDP, manchmal sogar von Horst Seehofer. Letzterer, ein Gernegroß, sollte sich gut überlegen, dass er der CSU am nachhaltigsten schadet, wenn er die CDU und damit die Union insgesamt schwächt. Es mag sein, dass er das nicht begreift, weil er offenbar den Unterschied zwischen Taktik und Strategie auch nicht versteht.

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