Schwarz-Gelb will Steuern senken:Müde Kompromisse einer müden Koalition

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Ist das der Neuanfang, der ersehnte Aufbruch in die zweite Halbzeit für Schwarz-Gelb? Wohl eher nicht. Die Kraftlosigkeit der in langen Beratungen gefundenen Kompromisse dokumentiert nur die Kraftlosigkeit der Koalition. Union und FDP agieren weiterhin nach dem Motto: Lieber Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken. Bei genauem Hinsehen hat ohnehin nur einer etwas gewonnen.

Thorsten Denkler, Berlin

Schön, dass sie wenigstens nicht so tun, als wäre ihnen gestern im Kanzleramt ein Durchbruch gelungen. Kein Sekt, kein Gläserklirren. Nur ein Gläschen Wein, um dabei noch technische Details zu besprechen. Mehr soll es nach dem Koalitionsgipfel nicht gegeben haben.

Ihre Parteien bilden eine Union, doch einig sind sie sich nicht immer: CDU-Chefin Angela Merkel und der bayerische CSU-Vorsitzende Horst Seehofer. (Foto: dapd)

Was die Spitzen von Union und FDP da verabredet haben, kann bei keinem der Beteiligten Partystimmung auslösen. Ziel war nur noch, dem Schlamassel der vergangenen Wochen und Monate ein halbwegs Gesicht wahrendes Ende zu setzen. Selbst das ist mehr schlecht als recht gelungen.

Echte Gewinner gibt es nicht. Na, doch, einen vielleicht: Horst Seehofer, den CSU-Chef. Der wollte unbedingt das Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Hoch umstritten ist diese Herdprämie, könnte sie doch genau die Eltern davon abhalten, die Kinder betreuen zu lassen, deren Nachwuchs eine frühe Förderung bitter nötig hat. Irgendwie aber haben sich Seehofer und seine CSU in den Kopf gesetzt, dass der bayerischen Hausfrau der Geldsegen so gefallen wird, dass die CSU in Bayern wieder mit absolutem Mehrheitsanspruch regieren kann.

Der Preis, für den Seehofer die etwa drei Milliarden Euro teure Herdprämie bekommen hat, ist erstaunlich niedrig. Seehofer verzichtet lediglich auf eine Pkw-Maut und stimmt Steuersenkungen zu, die zudem noch einen gewaltigen Haken haben. Außerdem hat er noch als Bonus eine Milliarde Euro für den Investitionsetat seines Parteifreundes und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer herausgeschlagen. Seehofer kann mehr als zufrieden sein.

Hoher Preis für Merkel und Rösler

Dass die Sache für Merkels CDU und Röslers FDP teuer werden würde, war schon seit eineinhalb Wochen klar gewesen. Da hatten FDP-Chef Philipp Rösler und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ein Steuersenkungsprojekt beschlossen - ohne Seehofer einzubinden. Ein Unding. Und eine Chance für den Bayern, endlich sein Betreuungsgeld durchzusetzen.

Kernstück der Einigung aber ist die Steuererleichterung. Dafür soll zum einen der Grundfreibetrag angehoben werden, bis zu dem gar keine Steuern fällig sind. Zum zweiten soll die Einkommensteuerkurve verschoben werden, so dass Eingangs- und Spitzensteuersatz bei jeweils etwas höheren Einkommen greifen.

Für den Steuerzahler sollen dabei von 2013 an zwei Milliarden Euro abfallen, ein Jahr später weitere vier Milliarden. Zwei Drittel der insgesamt sechs Milliarden will der Bund zahlen, den Rest sollen die Länder übernehmen.

Das klingt nicht nur nach wenig, das ist es auch. Gemessen an den einst im Koalitionsvertrag versprochenen 24 Milliarden Euro ist diese Steuersenkung ein Witz. Geradezu lächerlich wäre es, wenn sich FDP-Chef Rösler nun brüsten würde, geliefert zu haben, wie er es bei seiner Wahl auf dem Rostocker Parteitag im Frühjahr versprochen hat. Erstaunlich, mit wie wenig sich Rösler zufrieden gegeben hat.

Dass im ersten Schritt der Grundfreibetrag erhöht werden muss, darauf hat schon das Bundesverfassungsgericht hingewiesen. Würde dann aber die Steuerkurve unangetastet bleiben, würde dies die sogenannte kalte Progression für kleine bis mittlere Einkommen noch verschärfen. Darum muss fast zwangsläufig in einem zweiten Schritt die Kurve nach rechts verschoben werden. Das ist mehr Steuertechnik als hohe politische Kunst. Vor allem aber ist das weit entfernt von dem einstigen Ziel, die kalte Progression dauerhaft abzuschaffen.

Die Steuersenkung wird der Einzelne kaum zu spüren bekommen. Im besten Fall springt dabei ein Abendessen im Restaurant mit der Familie heraus. Kaum nachvollziehbar auch, warum der Großteil der Steuersenkung erst im Jahr 2014 greifen soll, also nach der Bundestagswahl 2013.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wünscht sich Ruhe in der eigenen Koalition - um sich etwa um die europäische Schuldenkrise kümmern zu können. (Foto: dapd)

Erschwerend kommt hinzu, dass der Plan noch durch den Bundesrat muss. Dort aber fehlt der schwarz-gelben Koalition die Mehrheit, um ihn durchzusetzen. Der einzige Trost könnte für die FDP am Ende sein, das Richtige gewollt zu haben, aber an der SPD gescheitert zu sein. Vom liberalen Anspruch, das Steuersystem der Bundesrepublik grundlegend zu verändern, sobald sie Regierungsverantwortung hat, ist kaum etwas übrig geblieben. "Einfach, niedrig und gerecht!" - aus dem liberalen Schlachtruf der Bundestagswahl 2009 ist ein Schmähgesang geworden, der allenthalben für Lacher sorgt, sobald er angestimmt wird.

Einziger Lichtblick ist der Kompromiss zur Pflege. Mit einer moderaten Beitragserhöhung von 0,1 Prozentpunkten sollen eine Milliarde Euro in die Kassen kommen. Das Geld ist vor allem für die Betreuung von Demenzkranken bestimmt. Dass über eine Art Riester-Versicherung mit staatlichen Zuschüssen die freiwillige private Vorsorge angekurbelt werden soll, ist ein wohl zu verschmerzendes Zugeständnis an die FDP.

Die Kanzlerin wünscht sich Ruhe

Auch in einem anderen Punkt hat die FDP einen kleinen Erfolg eingefahren: Die Einkommensgrenze für den Zuzug ausländischer Fachkräfte soll von 68.000 auf 48.000 Euro Jahressalär gesenkt werden. Wahlentscheidend ist dies aber auch nicht.

Und wo bleibt Merkels CDU in dem Spiel? Die Kanzlerin hatte offenbar alle Hände voll zu tun, zwischen ihren beiden kleineren Koalitionspartnern zu vermitteln. Für ihre Partei wäre es auch in Ordnung gewesen, auf Steuersenkungen zu verzichten. Das Betreuungsgeld ist in der CDU umstritten. Ein echtes Anliegen ist den Christdemokraten lediglich die Pflegeversicherung. Noch wichtiger aber schien es gewesen zu sein, Ruhe in die Koalition zu bringen und endlich das leidige Steuerthema abzuräumen.

Beides ist nur leidlich gelungen. Die Steuerfrage wird schon wegen der fehlenden Bundesratsmehrheit noch hochkochen. Für neue Unruhe sorgt gerade die CDU selbst mit ihrer Idee, einen Mindestlohn einführen zu wollen. Und so ist dieser Gipfel auch nur ein Schritt auf dem steinigen und holprigen Weg der Koalition. Das einzige Ziel, dass die angeblichen Partner noch zu haben scheinen, lautet: Irgendwie die kommenden zwei Jahre bis zur Bundestagswahl überstehen. Das schwarz-gelbe Motto lautet: Lieber Schrecken ohne Ende als ein Ende mit Schrecken.

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