Schwarz-Gelb:Seehofer verteidigt geplanten Schattenhaushalt

Union und FDP rechtfertigen den angedachten Haushaltskniff, ihre Pläne könnten die Neuverschuldung auf 90 Milliarden steigern - die SPD spricht von "Steuersenkungswahn".

Nach Ansicht von CSU-Chef Horst Seehofer führt an der Einrichtung eines Nebenhaushalts zur Finanzierung der defizitären Sozialsysteme kein Weg vorbei. Auch in der Vergangenheit seien schon solche Sondervermögen in der Bundesrepublik zur Finanzierung besonderer Aufgaben eingerichtet worden, sagte der bayerische Ministerpräsident am Mittwochabend nach einer Sitzung in Berlin.

Horst Seehofer CSU Chef Reuters

Verteidigt die Pläne zu einem Sonderhaushalt: CSU-Chef Horst Seehofer

(Foto: Foto: Reuters)

So sei dies etwa für den Mittelstand und die Konzerne wie auch für die Banken erfolgt. Ebenso gebe es Beispiele in den Bundesländern, etwa zur Stützung der bayerischen Landesbank. Nun werde ein solches Sondervermögen für die wichtigsten Sozialversicherungszweige der Arbeitnehmer gemacht.

SPD geißelt "Steuersenkungswahn"

Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) wehrte sich indes gegen den Begriff "Schattenhaushalt". Ähnlich äußerte sich der FDP-Politiker Hermann Otto Solms: "Es ist kein Schattenhaushalt, es ist ein Nebenhaushalt." Beschlossen sei aber noch nichts, so der Finanzexperte der Liberalen.

FDP-Vize Rainer Brüderle erinnerte daran, dass es solche Sonderfonds bereits in der Vergangenheit zur deutschen Einheit und in der Wirtschaftskrise gegeben habe.

Der CSU-Chef Seehofer betonte, das Sondervermögen sei letztlich Teil des Haushalts und müsse auch getilgt werden. "Es ist völlig korrekt, ist transparent, entspricht dem Haushaltsrecht und ist von der Sache her geboten." Seehofer verneinte die Frage, ob es über das Sondervermögen in der Koalitionsrunde noch Diskussionen gebe. Die Idee sei am Sonntag sorgfältig durchgerechnet worden.

Es gehe darum, das Land in den wichtigen Fragen nach vorne zu bringen. Das auch als Schattenhaushalt bezeichnete Sondervermögen ist insbesondere von der Opposition und Wirtschaftswissenchaftlern kritisiert worden.

Der bayerische Ministerpräsident lies offen, wann und in welchem Umfang es Steuerentlastungen geben werde. Er betonte aber, er sei mit dem bisher Verabredeten "sehr zufrieden".

"Natürlich messe ich mich an dem, was wir im Kern den Menschen versprochen haben", fügte er hinzu. Die CSU hatte im Wahlkampf Steuersenkungen für die Jahre 2011 und 2012 zugesagt.

Die künftige Koalition plant, die Neuverschuldung drastisch anzuheben. Im Fokus stehen die in den nächsten Jahren absehbaren zusätzlichen Ausgaben für die Bundesagentur für Arbeit (BA) und die gesetzliche Krankenversicherung. Sie sollen in ein Sondervermögen des Bundes ausgelagert werden.

Die Kritik an diesem Plan nahm inzwischen zu. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß kündigte energischen Widerstand seiner Partei gegen die geplante Haushaltspolitik von Union und FDP an. "Die SPD wird immer wieder darauf hinweisen, dass Schwarz-Gelb deshalb zu Schattenhaushalten greift, um mit diesem Trick Spielraum für Steuergeschenke an Unternehmen und Besserverdienende zu bekommen", sagte Poß der Saarbrücker Zeitung.

Chefvolkswirt der Allianz rät ab

Das schwarz-gelbe Bekenntnis zur Stabilität der Sozialkassen sei nur Mittel zum Zweck - gegen das Ziel, die Sozialversicherungsbeiträge in Zaum zu halten, könne niemand etwas haben. "Aber das wird von Schwarz-Gelb nur vorgeschoben. Der wahre Grund bleibt der Steuersenkungswahn", kritisierte der SPD-Politiker.

Ähnlich äußerte sich der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann. Schon im Wahlkampf seien die Steuergeschenke von Schwarz-Gelb "unrealistisch" gewesen, sagte Oppermann im ZDF. Die jetzt geplanten "gigantischen Schattenhaushalte" bedeuteten "nichts anderes, als dass man die Schulden verstecken will". Früher hätten die "Grundsätze der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit" gegolten, sagte Oppermann. Jetzt gehe es um "Tarnen, Täuschen, Tricksen".

Auch der Chefvolkswirt der Allianz, Michael Heise, lehnt das schwarz-gelbe Vorhaben ab: "Nachdem die künftige Bundesregierung sich deutliche Steuersenkungen um 20 Milliarden Euro vorgenommen hat, bleibt meines Erachtens kein Spielraum, um den Sozialversicherungen in einem ausgelagerten Haushalt viele Milliarden zur Verfügung zu stellen", sagte Heise im Gespräch mit Handelsblatt.com.

Zustimmung kam von Handwerkspräsident Otto Kentzler. Der Neuen Osnabrücker Zeitung sagte er: "Das ist kein finanzpolitischer Taschenspielertrick." Im Gegenteil würden so die krisenbedingten Kosten deutlich gemacht, die auf die Beschlüsse der großen Koalition zurückgingen.

Derweil berichtete Bild, dass der von Union und FDP erwogene Schattenhaushalt die Neuverschuldung des Bundes in diesem Jahr deutlich in die Höhe treiben dürfte. Um das Minus der Sozialkassen bis 2013 auszugleichen, wollen Union und FDP noch in diesem Jahr bis zu 60 Milliarden Euro in einen Sonderfonds auslagern, schreibt das Blatt. Ein dafür nötiger dritter Nachtragshaushalt werde die Neuverschuldung in diesem Jahr auf fast 90 Milliarden Euro bringen. Bisher liege sie bei knapp 50 Milliarden Euro.

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