Schwarz-Gelb:Regierung der Reparaturen

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Atompolitik, Bundeswehr, Außenpolitik und so weiter: Die Regierung Merkel muss gewaltige politische Schäden beheben, die sie selbst angerichtet hat. Vor allem die FDP verlangt jetzt nach schnellen Erfolgen - und das von Philipp Rösler, der nach dem Absturz ganz unten anfangen muss. Im richtigen Leben gibt es Handwerker, die eine solche Reparatur ablehnen.

Nico Fried

Es ist natürlich keine politische Kategorie, aber es wirkt trotzdem niedlich, wie Angela Merkel und Philipp Rösler ihre Zweisamkeit zelebrieren. Mehrmals seit dem Wochenende sind die Kanzlerin und ihr neuer Stellvertreter schon gemeinsam aufgetreten, die beiderseitige Zufriedenheit ist am ständigen Lächeln zu erkennen. Wenn man bedenkt, dass Merkel für Rösler immer eine Schwäche hatte und Rösler einen sanft bewundernden Respekt für Merkel wohl nicht bestreiten würde, dann liegt es nahe, diesem Paar gewisse Zukunftschancen zu attestieren - streng politisch, völlig klar.

Philipp Rösler und Angela Merkel stehen vor großen Reparaturen. (Foto: dpa)

Zumindest wird neue Freundlichkeit demonstriert. Und wer hätte dies nötiger als die schwarz-gelbe Koalition, deren geringes Ansehen ja auch sehr viel mit der Art des Miteinanders zu tun hat? Die vergangenen Wochen haben diese Regierung noch einmal durchgeschüttelt. Die personelle Zäsur nach dem Rücktritt von Karl-Theodor zu Guttenberg und dem Wechsel an der FDP-Spitze, aber auch die politische Zäsur nach Fukushima und dem Desaster bei den Landtagswahlen - alles dies würde einer normalen Koalition die Chance eines Neuanfangs eröffnen. Aber gilt das auch für eine Koalition, zu deren wenigen Kontinuitäten der fortwährende, nicht enden wollende Neuanfang gehört?

Die Regierung Merkel ist eine Regierung, die im Frühjahr 2011 zu einem großen Teil politische Schäden beheben muss, die sie selbst angerichtet hat. Das gilt für die Energiewende und für die Bundeswehrreform, zwei Projekte aus Merkels legendärem Herbst der Entscheidungen. Es gilt auch für außenpolitische Waghalsigkeiten. Hinzu kommt die Euro-Krise, die von dieser Regierung nicht verursacht wurde, deren Management aber keinen rechten Erfolg zeitigt. Merkels Worte zu Urlaubs- und Rentenzeiten in Südeuropa waren in der Sache nicht neu, wohl aber in der etwas verschärften Tonlage. Sie sollen die eigenen Parteigänger zu Hause beschwichtigen, deren Ungeduld erstmals zu einer echten Bedrohung für Merkels Mehrheit führen könnte. Die Lage ist ernst.

Die Regierung Merkel ist eine Regierung der Reparaturen. Den meisten Elan konzentriert sie auf die Energiewende. Das ist kein Wunder, weil die Atompolitik von 2010 sich als der größte politische Fehler der Kanzlerin erwiesen hat. Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, veranstaltet sie nun mit Kommissionen einen Budenzauber, der Angela Merkel zur Stifterin eines gesellschaftlichen Konsenses in der Atompolitik erheben soll, den sie zuvor stets abgelehnt hatte.

Dass bei der Reform der Bundeswehr die Wehrpflicht abgeschafft und erst dann überlegt wurde, woher die Freiwilligen kommen sollen, war ein weiterer Fehler, den das ganze Kabinett einem populären Minister zuliebe beging. Die Arbeit bleibt nun an dessen nüchternem Nachfolger hängen. In die Planungen zieht damit die Wirklichkeit ein, was aber auch heißt, dass die Reform teurer wird.

Bemerkenswert ist der Akzent, den der jetzige Verteidigungsminister gegen den jetzigen Außenminister setzt: Guido Westerwelle ist ein demonstrativer Nichtbeteiliger, der in den vergangenen Jahren Bundeswehreinsätze im Kongo, vor der Küste des Libanon und in Libyen ablehnte. Ausgerechnet er bekommt nun von Thomas de Maizière eine Aufgabenbeschreibung vorgelegt, die mehr Einsätze vorsieht, selbst wenn nationale Interessen nicht direkt betroffen sind. Es geht dabei um nichts anderes als die konkrete deutsche Außenpolitik in gewachsener Verantwortung. Innerhalb der Regierung aber geht es darum, ob Westerwelle eigentlich noch eine Rolle spielt.

Für Philipp Rösler ist das auch eine wichtige Frage. Er muss eine liberale Partei aufrichten, deren Niedergang seinem Vorgänger angelastet wird, obgleich alle mitverantwortlich sind, die sich Guido Westerwelle nicht in den Weg gestellt haben, also auch Rösler selbst. Die FDP, das war auf dem Parteitag erkennbar, verlangt nach schnellen und sichtbaren Erfolgen in der Koalition. Westerwelle hat diesen Anspruch mit einem Rekordergebnis im Rücken eineinhalb Jahre lang nicht zufriedenstellend bedienen können. Es widerspricht schlicht den Gesetzen der Logik, solche Erfolge nun von einem jungen Mann zu erwarten, der nach dem Absturz ganz unten anfangen muss. Im richtigen Leben gibt es Handwerker, die eine solche Reparatur ablehnen: Lohnt sich nicht mehr.

Die FDP hat Merkel 2009 das Kanzleramt erhalten. 2011 hängt die Zukunft der Liberalen als Regierungspartei von Merkels gutem Willen ab. Am Montag, nachdem die Kanzlerin und ihr Vize über Elektroautos verhandelt hatten, überließ sie Rösler in der Pressekonferenz immerhin die Beantwortung einer Frage - so wie man einen netten Menschen mal von seinem Eis probieren lässt.

Die ganze Dimension seiner Aufgabe könnte Rösler deutlich geworden sein, als die Kanzlerin ihn jüngst zu einer Ehrung für Helmut Kohl mitnahm. Als der Einheitskanzler 1991 Merkel zur Ministerin machte, war Rösler 17 Jahre alt. Ihr Vorsprung ist gewaltig, in jeder Hinsicht. Und man darf der Machtfrau Merkel getrost unterstellen, dass es ihr gelegen kam, wenn den netten Herrn Rösler diese Erkenntnis an jenem Abend heimgesucht haben sollte.

© SZ vom 20.05.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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