Schwarz-Gelb:Merkel im Kampf gegen die Egomanen

Wenn Westerwelle lieber von Frau Ferres als von den Taliban redet, dann hat Merkel ein Problem: Sie hat "Ernsthaftigkeit" zum Programm gemacht - doch wenn sie keine Autorität hat, ist Schwarz-Gelb nicht mehr ernstzunehmen.

Nico Fried

Der Bundesaußenminister hat ein Interview gegeben. Seither ist bekannt, dass sich Guido Westerwelle mit der Schauspielerin Veronica Ferres und ihrem Freund, dem Finanzberater Carsten Maschmeyer, duzt. Die beiden seien wunderbare Menschen und zauberhafte Gastgeber. Leider weiß man auch nach diesem Interview nicht, was der Außenminister über die Flut in Pakistan denkt, welche politischen Konsequenzen er befürchtet und welche Auswirkungen das seiner Einschätzung nach auf den Einsatz deutscher Truppen in Afghanistan haben kann. Leider sind die Taliban recht unfreundliche Menschen und wenig zauberhafte Gastgeber.

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Zu ihrem Führungsstil gehören keine Basta-Worte: Bundeskanzlerin Angela Merkel

(Foto: AFP)

Westerwelle ist eines der Probleme, mit denen es die Bundeskanzlerin auch nach ihrem Urlaub zu tun haben wird. Die Erkenntnis, wovon der Minister öffentlich redet und wovon nicht, müsste Angela Merkel eigentlich die Zornesröte ins Gesicht treiben. Denn die Kanzlerin hat in diesem Sommer einen Begriff wiederentdeckt, den sie am Anfang der schwarz-gelben Koalition auffallend oft gebrauchte: Ernsthaftigkeit. Dass sie den Begriff nun wiederbelebt hat, ist ein Indiz dafür, dass dieses Wort nicht das Motto, sondern vielmehr das Manko der Koalition beschreibt.

Als Union und FDP mit dem Regieren begannen, war die wirtschaftliche Situation düster, und die Perspektiven waren noch viel düsterer. Die politische Lage für die Regierungsparteien hingegen erschien als licht: Gerade hatten sie die Bundestagswahl gewonnen, vor allem die FDP mit einem sensationellen Ergebnis. Damals sprach Merkel von Ernsthaftigkeit, weil es der Zustand des Landes erforderte - und weil es einer zum Übermut neigenden FDP nicht schaden konnte.

Nun hat sich das Ganze gedreht. Die wirtschaftliche Lage verbessert sich rasant, die politische Lage für die Regierungsparteien hingegen ist desolat, insbesondere für die FDP, aber auch für die Union. Nur die Situation der CSU ist geblieben, wie sie schon vorher war: ziemlich mies. Union und FDP gebricht es offenkundig an der Anerkennung durch die Bürger. Die Menschen nehmen das, was diese Koalition tut, und vor allem die Art, wie sie darüber redet, nicht mehr ernst. Das ist ein Ergebnis, zu dem sich positiv nur bemerken lässt, dass diese Koalition hart dafür gearbeitet hat.

Guido Westerwelle hat jetzt gesagt, es habe am Anfang ein paar Nebengeräusche gegeben. Das ist so, als würde man über das "Ta-ta-ta-taaa" zu Beginn von Beethovens fünfter Symphonie sagen, dies seien Nebengeräusche. In Wahrheit waren Uneinigkeit und der daraus resultierende Streit das Hauptmotiv der ersten Monate dieser Koalition. Gezänk und Gekeife waren das schwarz-gelbe "Ta-ta-ta-taaa". Immer wieder erklang das Signal an die Bürger, dass hier eine Koalition insgesamt ihrer Verantwortung nicht gerecht wird, dass sie ihre Aufgabe nicht ernst nimmt.

Lesen Sie weiter, warum nicht nur die beiden kleineren Koalitionspartner, sondern auch Angela Merkel und ihre CDU in der Schuld stehen, die Arbeit von Schwarz-Gelb zu verbessern.

Minister auf dem Skateboard

Angela Merkel fordert nun die neue Ernsthaftigkeit, weil sie weiß, dass anderenfalls nach einer Niederlage bei der baden-württembergischen Landtagswahl im März 2011 die Wunschkoalition in Rekordzeit am Ende wäre. Wieder steht Schwarz-Gelb vor einer Schicksalswahl: Vor Nordrhein-Westfalen beschlossen Merkel und ihre Partner, nichts zu tun - und verloren. Vor Baden-Württemberg soll nun das Gegenteil geschehen. Schon der dauernde Blick auf Landtagswahlen zeigt überdeutlich, wie instabil die schwarz-gelbe Koalition von Anfang an gewesen ist.

Gleichwohl ist Ernsthaftigkeit nicht nur eine Bringschuld für politische Egomanen wie Guido Westerwelle oder Horst Seehofer, für deren Generalsekretäre oder sonstiges Fußvolk. Ernsthaftigkeit ist auch eine Holschuld der Kanzlerin. So richtig es sein mag, dass die von Minderwertigkeitskomplexen geplagte CSU und die vom Regieren überforderte FDP die meiste Verantwortung für das schlechte Erscheinungsbild tragen, so wenig bringt es, diesen Sachverhalt nur immer wieder neu zu beklagen. Damit wird nur verdeckt, dass die Autorität der Kanzlerin offenbar nicht ausreicht, um etwas zu ändern.

Zu Merkels Führungsstil gehören keine Basta-Worte, sondern Korridore. Sie steckt Grenzen ab, in der Hoffnung, dass sie so die anderen dazu bringt, in dieselbe Richtung zu gehen. Deshalb kann man der Kanzlerin auch selten vorwerfen, sie wisse nicht, was sie nicht will. Merkel will sich nicht von den Atomkonzernen drohen lassen. Merkel will nicht, dass wieder über Steuersenkungen gesprochen wird. Merkel will nicht, dass bei der Wehrpflicht Denkverbote herrschen.

Andererseits sind die Korridore sehr breit. Wie ein Skateboardfahrer in einer Halfpipe kann man darin mal rechts hoch fahren und mal links, mal die eine Position einnehmen, mal die andere. So hat zum Beispiel der Verteidigungsminister im Laufe der Zeit schon fast jede mögliche Meinung zur Wehrpflicht vertreten. Wer sieben Jahre Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke will, ist in Merkels Korridor genauso willkommen wie jener, der 27 Jahre will. Und genau so wirkt diese Koalition dann auch. Wenn Merkel daran nichts zu ändern vermag, wenn die Kanzlerin ihren Laden nicht in Ordnung bringt, dann kann man eben auch sie nicht mehr ernst nehmen.

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