Schwarz-Gelb gegen die Opposition:Berliner Blockade

Als wäre der interne Koalitionsstreit nicht genug: Weil die Gemeinsamkeiten zwischen Regierung und Opposition gering sind und die Sozialdemokraten ihre neue Macht im Bundesrat nutzen, bleiben wichtige Gesetzesvorhaben unerledigt. Doch im Hintergrund wird bereits eifrig verhandelt. Von der Gebäudesanierung bis zur Uni-Förderung: die Berliner Baustellen im Überblick.

Guido Bohsem, Christoph Hickmann, Susanne Höll, Robert Roßmann und Johann Osel

Schwarz-Gelb gegen die Opposition: Berliner Reichstag: Opposition und Regierung suchen nach Kompromissen - zumindest in einigen Punkten.

Berliner Reichstag: Opposition und Regierung suchen nach Kompromissen - zumindest in einigen Punkten.

(Foto: AP)

Union und FDP machen es sich in der Koalition ja selbst schwer genug. Immer öfter kommt der Regierung bei Gesetzgebungsvorhaben jetzt auch noch die Opposition in die Quere. Weil die von Union und FDP regierten Länder im Bundesrat keine Mehrheit haben, müssen sie sich mit der SPD arrangieren. Die Sozialdemokraten nutzen ihre neue Macht zu mancher Blockade. Doch in einigen Bereichen ist auch die SPD zum Kompromiss bereit. Eine Aufstellung der wichtigsten Konflikte:

Steuerabkommen mit der Schweiz

Die Vereinbarung zwischen den Regierungen beider Länder sieht vor, dass Schwarzgeld in der Schweiz künftig anonym mit Sätzen zwischen 21 und 41 Prozent versteuert wird. Künftige Erträge sollen wie in Deutschland belastet werden. Die Steuereinnahmen sollen von der Schweizer Steuerverwaltung bei den Banken eingezogen und ohne Nennung von Namen nach Deutschland weitergeleitet werden.

SPD und Grünen geht das nicht weit genug, sie beklagen vor allem, dass es noch immer zu große Schlupflöcher für deutsche Steuerkriminelle gebe. Ohne substanzielle weitere Zugeständnisse der Schweiz wird es nach den Worten von SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück keine Einigung geben.

NPD-Verbotsverfahren

Zahlreiche SPD-regierte Länder sowie Bayern und einige CDU-geführte Länder in Ostdeutschland befürworten einen neuen Anlauf beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, die Bundesregierung ist bislang aber skeptisch. Im Dezember werden die Innenminister von Bund und Ländern sowie die Ministerpräsidenten über einen Verbotsantrag entscheiden. Inzwischen deutet manches darauf hin, dass sich die Befürworter durchsetzen und ein neues Verfahren noch in dieser Legislaturperiode in Gang kommt.

Europa und Euro-Rettung

SPD und Grüne haben die Bundesregierung in zentralen Fragen der Euro-Rettung bisher unterstützt. Die SPD will das erklärtermaßen auch weiterhin tun, wenn es um Gesetze geht, die den Bestand der Euro-Zone sichern.

Gebäudesanierung

Im Fall der Gebäudesanierung wirkt es besonders absurd, dass sich Bund und Länder bislang nicht einigen konnten: Eigentlich kann niemand etwas dagegen haben, wenn es in alten und älteren Häusern nicht mehr zieht und keine Energie mehr verloren geht, weil Fenster nicht dicht und Fassaden schlecht gedämmt sind.

Und doch liegt das Thema seit dem vergangenen Jahr im Vermittlungsausschuss. Es geht darum, wie man die energetische Gebäudesanierung steuerlich fördert - und darum, wer diesen Anreiz bezahlen soll. Die Bundesländer hatten im vergangenen Jahr ihr Veto eingelegt, weil sie Ausfälle bei der Einkommensteuer fürchteten. Zuletzt sah es im Juni danach aus, als gebe es doch noch eine Einigung. Aber jetzt heißt es zum Beispiel bei den Grünen, man rechne nicht mehr mit Gesprächen in diesem Jahr.

Kalte Progression

Weniger aufmerksame Zeitungsleser dürften das Vorhaben schon vergessen haben. Doch die schwarz-gelbe Koalition hat den Plan, die sogenannte kalte Progression bei der Einkommensteuer zu bekämpfen, noch nicht aufgegeben. Er hängt lediglich im Bundesrat fest. Die Koalition will die Bürger um sechs Milliarden Euro entlasten. Doch wegen des Widerstands der Opposition in der Länderkammer wird es dazu wahrscheinlich nicht kommen.

SPD und Grüne argumentieren, dass Steuersenkungen wegen der immer noch hohen Neuverschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden schädlich seien. Die kalte Progression kommt immer dann zur Geltung, wenn eine Lohnerhöhung gerade mal den Preisanstieg ausgleicht.

Obwohl ein Arbeitnehmer sich von seinem neuen Einkommen nicht mehr kaufen kann, rutscht er auf der Steuerkurve nach oben und zahlt mehr Steuern als vorher. Um diesen Effekt auszugleichen, will die Koalition den Grundfreibetrag von derzeit 8004 Euro in zwei Schritten anheben. Wer dann ein Einkommen von 8354 Euro im Jahr oder weniger hat, muss keine Steuern zahlen.

Betreuungsgeld

Die Koalition wird nach monatelangem Streit wahrscheinlich noch in diesem Herbst das Betreuungsgeld beschließen. Die Opposition hat bereits jetzt angekündigt, alle rechtlichen Möglichkeiten gegen das Betreuungsgeld auszuschöpfen. Ihrer Ansicht nach ist das Gesetz verfassungswidrig. Die SPD will deshalb in Karlsruhe dagegen klagen. Außerdem will sie prüfen, ob das Gesetz nicht doch im Bundesrat zustimmungspflichtig ist - dann würde sie es dort blockieren.

Wahlgesetz

Am 17. Oktober wollen sich die parlamentarischen Geschäftsführer und Wahlrechtsexperten aller Fraktionen wieder treffen. Derzeit werden noch zwei Modelle diskutiert: ein allgemeines Ausgleichsmodell für die umstrittenen Überhangmandate sowie das Modell "Pukelsheim". Es ist nach einem Augsburger Stochastik-Professor benannt. Alle Fraktionen sind kompromissbereit, am Ende könnte es deshalb eine überparteiliche Lösung geben.

Nebeneinkünfte

Auch in den Streit über die Transparenzvorschriften für die Nebentätigkeiten von Bundestagsabgeordneten ist Bewegung gekommen. Die Debatte um Peer Steinbrück hat den Druck auf alle Fraktionen erhöht. Die zuständige Rechtsstellungskommission des Ältestenrats trifft sich am 18. Oktober, um über einen Kompromiss zu beraten. Es wird erwartet, dass es noch in diesem Jahr ein Ergebnis gibt.

Kooperationsverbot

Seit der Föderalismusreform 2006 ist Bildung fast ausschließlich Ländersache. Die CDU will eine Grundgesetzänderung, damit der Bund exzellente Wissenschaft an den Unis direkt finanzieren kann. Die Opposition will dies auch für Schulen. Keine Einigung.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: