Schutz von Senioren:"Wirklich dicht machen"

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Altenheim-Vertreter fordern strengere Besuchsverbote und mehr Virentests.

Von Kristiana Ludwig

Dort, wo das Coronavirus unter alten Menschen grassiert, können die Folgen verheerend sein. Das zeigen die Nachrichten aus Pflegeheimen in Würzburg und Wolfsburg, wo in den vergangenen Tagen insgesamt etwa 30 Menschen starben. In der Branche geht man davon aus, dass die Zahl der Menschen, die in Altenheimen Covid-19 erlegen sind, längst höher sein dürfte. "Es ist anzunehmen, dass es bundesweit bereits einige Todesfälle durch das Coronavirus gibt, die nicht öffentlich geworden sind", sagt etwa die Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe, Johanna Knüppel. Sie vermutet, dass oft gar nicht bemerkt werde, dass eine Corona-Infektion vorliegt. Pflegeheime hätten davon berichtet, dass Bewohner überraschend gestorben seien, ohne zuvor an der typischen Lungenentzündung zu erkranken.

Auch der Geschäftsführer des Pflege-Arbeitgeberverbands BPA, Herbert Mauel, sagt: "Wir haben keine Tests für alle Heime." Infektionen lückenlos festzustellen, sei deshalb unmöglich. "Offenbar sind auch Bewohner ohne Symptome verstorben und waren trotzdem infiziert", sagt er. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz fordert deshalb eine Ausweitung der Corona-Tests in Altenheimen, so wie es mittlerweile das Robert-Koch-Institut empfiehlt. Auch die Pflegekammer Niedersachsen reagiert auf die Todesfälle in Wolfsburg und fordert erneut, das Pflegepersonal regelmäßig zu testen. "Wir können zehnmal die Alten- und Pflegeheime für Besuch abschotten. Es bringt aber alles nichts, wenn infizierte Pflegende die Viren mit ins Haus bringen", sagt Kammerpräsidentin Nadya Klarmann. Besonders gefährlich sei es, wenn infizierte Pflegekräfte ohne Symptome weiterarbeiteten.

Die Expertise der Pflegekräfte müsse endlich auch in die Krisenstäbe der Kommunen aufgenommen werden, fordert die Kammer, so wie auch die von Virologen, Ärzten und Rettungskräften. Tatsächlich wird die Lage in den Heimen zunehmend schwieriger. Obwohl dort überwiegend Menschen betreut werden, die aufgrund ihres hohen Alters zur Corona-Risikogruppe gehören, steht den Pflegern nach wie vor zu wenig Schutzkleidung zur Verfügung. "Aus einigen Einrichtungen wird berichtet, dass Pflegekräfte für eine ganze Schicht nur einen einzigen Mundschutz bekommen", sagt Knüppel vom Berufsverband. "Nicht nur, dass die Maske in der Regel nach 20 Minuten durchfeuchtet ist und nicht mehr funktioniert. Sie haben auch Angst, dass sie das Virus so von Bewohner zu Bewohner tragen." Sylvia Bühler aus dem Bundesvorstand der Gewerkschaft Verdi sorgt sich auch um die Gesundheit der Beschäftigten. Wenn "das Pflegepersonal nicht ausreichend vor einer Infektion geschützt wird, kollabiert das System", warnt sie.

Vielen Pflegeheimen machen zudem die lückenhaften Besuchsverbote zu schaffen. Angehörige dürfen in einigen Bundesländer immer noch stundenweise in die Heime. Die privaten Arbeitgeber fordern deshalb nun klare Ansagen. Neben Besuchen würden sie den Bewohnern am liebsten auch Ausflüge, zum Beispiel in den Supermarkt, jetzt grundsätzlich verbieten. "Das ist eine völlig unnötige Belastung", sagt Mauel vom Verband BPA. "Nur wenn wir die Heime wirklich dichtmachen, haben wir eine Chance."

Für Mauel ist auch die private Lage der Pflegekräfte ein Problem. Häufig dürfen sie nur dann ihre Kinder in die Notbetreuung bringen, wenn sie alleinerziehend sind oder ihr Partner auch in einem systemrelevanten Beruf arbeitet. Eine lebensferne Regelung, findet er: "Wenn der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau 20 Stunden als Pflegerin, dann wird er nicht für sie zu Hause bleiben. Einige Bundesländer steuern jetzt nach und machen den Zugang zur Kinderbetreuung leichter. Doch das sollte schneller gehen." Diese Frauen würden in den Heimen dringend gebraucht. Die Gewerkschaft Verdi fordert unterdessen sofort höhere Löhne für Pfleger. Nur klatschen und loben reiche nicht.

© SZ vom 31.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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