"Schulter an Schulter":Das Schweigen brechen

Eine neue Initiative soll Opfern rassistischer Übergriffe beistehen. Unter den Unterstützern finden sich viele bekannte Namen.

Von Bernd Kastner

Oftmals ist hinterher Schweigen. Dann, wenn wieder irgendwo eine Fassade mit unmenschlichen Parolen beschmiert, eine Scheibe eingeworfen oder ein Mensch attackiert wurde. Vor allem Juden, Muslime und Flüchtlinge wurden in den letzten Jahren in Tausenden Fällen Opfer solcher Übergriffe in Deutschland. "Das Schweigen bestärkt die Täter", sagt Jürgen Micksch. Er will genau dieses Schweigen durchbrechen mit einer neuen Initiative, die sich "Schulter an Schulter" nennt. Micksch hat Vertreter aus der jüdischen und der muslimischen Community sowie aus der Asyl-Arbeit zusammengebracht, um den Opfern beizustehen und Solidarität zu zeigen.

Der Beirat der Initiative, die unter dem Dach der "Stiftung gegen Rassismus" agiert, ist illuster besetzt: Ihm gehören etwa Thüringens Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer, die Chefs der Zentralräte der Muslime und der Juden in Deutschland, Aiman Mazyek und Josef Schuster, sowie der Vorsitzende von Pro Asyl, Andreas Lipsch an. Initiator ist Jürgen Micksch, 77, der Grandseigneur der Asyl- und Anti-Rassismus-Arbeit: Er hat Pro Asyl gegründet und organisiert seit Jahren die Internationalen Wochen gegen Rassismus. Diesen Montag stellt Micksch "Schulter an Schulter" in Mainz vor.

Solidarität, sagt Initiator Micksch, könne mit einem Besuch beginnen

Es war ein Anschlag in Darmstadt Anfang April, sagt Micksch, der ihm eine Lehre gewesen sei. Damals wurde eine Moschee attackiert, der oder die Täter warfen Scheiben ein und beschmierten die Fassade. Der Imam und seine Familie hätten Angst gehabt und sich nicht mehr nach draußen gewagt, berichtet Micksch. "Und was geschah in der Stadt? Erst einmal gar nichts." Als dann auf Initiative der in Darmstadt ansässigen Stiftung gegen Rassismus ein Solidaritätsbesuch stattfand, bei dem auch der Darmstädter Oberbürgermeister dabei war, habe das eine enorm positive Wirkung gehabt: "Wir haben gesehen, wie wichtig das für die ist, die angegriffen wurden. Der muslimischen Gemeinde wurde dadurch wieder Mut gemacht."

"Schulter an Schulter" sei eine Aktion "gegen das Gefühl des Alleinseins", sagt Micksch, gegen das Gefühl der Opfer, dass sie unerwünscht seien. Dieses Mutmachen soll Schule machen. Überall im Land will Micksch Menschen dafür gewinnen, sich im Fall eines Übergriffs oder Anschlags auf Muslime, Juden oder Flüchtlinge solidarisch zu zeigen. Diese Solidarität könne und solle vielfältig sein. Es könne mit einem Besuch bei den Opfern beginnen, Unterschriftenaktionen, thematisch passende Veranstaltungen oder den Kontakt zu den Medien einschließen. Die Gewalttäter verbuchten es oft als ihren Erfolg, wenn über sie berichtet werde, sagt Micksch. Deshalb wünsche er sich, dass die Solidarität mehr mediale Aufmerksamkeit erfahre: "Ich hoffe, dass wir zu einem Stimmungsumschwung in Deutschland beitragen."

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