Schulen:Inklusion kommt nicht voran

Schulen: Ein Rollstuhl steht vor einem Klassenzimmer - doch es ist schwierig, einen Schulplatz für ein Kind mit Behinderung zu finden.

Ein Rollstuhl steht vor einem Klassenzimmer - doch es ist schwierig, einen Schulplatz für ein Kind mit Behinderung zu finden.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Lehrkräfte geben den Bedingungen für Schüler mit Förderbedarf schwache Noten.

Von Edeltraud Rattenhuber, München

Elfeinhalb Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention ziehen Lehrkräfte eine verheerende Bilanz der Inklusion an Schulen. Laut einer aktuellen Umfrage fühlen sie sich weder ausreichend unterstützt noch fortgebildet, um Kinder und Jugendliche mit Förderbedarf an allgemeinbildenden Schulen zu unterrichten. Auch halten sie die baulichen Voraussetzungen dort für vielfach unzureichend. Um wirklich jedem Kind gerecht werden zu können, fordern sie außerdem mehr Personal. Im Durchschnitt bewerten sie die Inklusionspolitik ihrer jeweiligen Landesregierung mit der Note 4,5.

"Die Diskrepanz zwischen dem Stellenwert, den Politik der schulischen Inklusion in Sonntagsreden einräumt, und den Ressourcen, die sie tatsächlich bereit ist, für eine gelingende Inklusion zur Verfügung zu stellen, bleibt groß", sagte Udo Beckmann, der Vorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), am Montag bei der Vorstellung der repräsentativen Forsa-Umfrage, für die 2127 Lehrerinnen und Lehrer befragt wurden. Zwar gebe es auch einen Lichtblick, da Inklusion zumindest in der Ausbildung mittlerweile häufiger vorkomme. Das Angebot an Fortbildungen hingegen bewerten 44 Prozent der Befragten mit der Note mangelhaft oder ungenügend.

Corona-Maßnahmen haben die Bedingungen verschlechtert

Die coronabedingten Schließungen haben das Umfeld für gelingende Inklusion an Schulen nach Meinung der Lehrer erwartungsgemäß noch weiter verschlechtert. So gaben 63 Prozent aller Lehrkräfte und sogar 75 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer von Förderschulen an, dass Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarfen nahezu vergessen wurden. 74 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass die Einschränkungen zu einem Rückschritt bei der Inklusion geführt haben. Corona habe vorgeführt, welche Defizite das Bildungssystem habe, sagte Beckmann.

Mit seiner Unterschrift unter die UN-Behindertenrechtskonvention hat Deutschland sich verpflichtet, das Menschenrecht auf inklusive Bildung für alle umzusetzen. In Deutschland haben derzeit 6,5 Prozent aller Schüler einen sonderpädagogischen Förderbedarf, das sind rund 520 000 Mädchen und Jungen. Aber nur 235 000 von ihnen werden inklusiv an Regelschulen unterrichtet, der Rest besucht spezielle Förderschulen. Diese zu schließen, ist unter den gegebenen Bedingungen nach Meinung der meisten befragten Lehrkräfte keine Option. Ganz im Gegenteil. 83 Prozent von ihnen wollen sie erhalten, obwohl eine Mehrheit (56 Prozent) es grundsätzlich für sinnvoll hält, dass alle Kinder gemeinsam lernen.

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