Schulen in der Pandemie:Die bessere Hälfte

Lesezeit: 2 min

Lernen mit Hindernissen: Schülerin einer 12. Klasse in Schleswig-Holstein. (Foto: Gregor Fischer/dpa)

Um mehr Abstand zu ermöglichen, lernen schon jetzt viele Schüler im Wechselmodell. Bald könnten es noch deutlich mehr werden. Doch nach welcher Methode lassen sich die Klassen am sinnvollsten teilen?

Von Paul Munzinger, München

Corona ist für die Schule und alle, die mit ihr zu tun haben, eine Zumutung. Sollte man aber eines (hoffentlich nicht allzu fernen) Tages Lehrerinnen und Lehrer danach fragen, ob die Pandemie im Rückblick auch gute Seiten hatte, dann könnte einigen doch etwas einfallen: die Arbeit mit kleineren Gruppen. Das Wechselmodell sieht ja vor, Klassen in zwei Hälften zu teilen, die abwechselnd zu Hause und in der Schule unterrichtet werden. Das Ziel: mehr Abstand,weniger Ansteckungen. Angenehmer Nebeneffekt für Lehrer: Sie müssen sich statt um 30 nur um 15 Kinder im Klassenzimmer kümmern.

Viele Schulen in Deutschland haben seit Beginn der Pandemie Erfahrungen mit dem Wechselbetrieb gesammelt, aktuell sind es etwa Grundschüler in Niedersachsen und Abiturienten in Bayern. Vor den Beratungen von Bund und Ländern an diesem Mittwoch spricht vieles dafür, dass das Modell im Wortsinne weiter Schule machen wird. Die Kultusministerkonferenz (KMK) sprach sich am Dienstag dafür aus, die Schulen vom 15. Februar an schrittweise wieder zu öffnen - zum Beispiel im Wechselbetrieb. Auch in den am Montag von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) präsentierten Leitlinien für Schulen spielt das Modell eine zentrale Rolle.

Umso erstaunlicher, dass in den Empfehlungen nur pauschal von Klassenteilungen die Rede ist. Denn nicht nur dass, sondern auch wie geteilt wird, kann einen Unterschied machen.

"Das ist höhere Mathematik"

Die Kultusministerien überlassen es den Schulen, nach welcher Logik sie Klassen halbieren. Am einfachsten ist die Methode Telefonbuch: A-K, L-M. Dem Alphabet folgend werden etwa Abiturjahrgänge geteilt, weil alle anderen Ideen das ohnehin kleinteilige Kurssystem aus Sicht von Schulleitern überfordern würde. Lässt man nämlich auch pädagogische und organisatorische Erwägungen in die Teilung einfließen, wird es kompliziert. Wie sorge ich dafür, dass beide Gruppen ein ähnliches Leistungsniveau aufweisen? Ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis? Wie gelingt es, dass Freunde nicht getrennt werden und Geschwister an den gleichen Tagen in die Schule gehen können, um ihre Eltern zu entlasten? Wie verhindere ich, dass alle Rowdys in einer Gruppe sind? "Das ist höhere Mathematik", sagt ein Schulleiter.

Welche Kriterien am Ende den Ausschlag geben, unterscheidet sich von Schule zu Schule. Die Ministerien haben höchstens einen groben Überblick. Aus Bremen etwa, wo die Grundschulen seit vergangener Woche im Wechselbetrieb sind, heißt es, meistens würden "leistungsmäßig heterogene Gruppen" gebildet.

Vorschlag: Die Schüler sollten selbst entscheiden

Aus pädagogischer Sicht ergibt das Sinn, aus pandemiologischer eher nicht. Um Kontakte zu reduzieren, darauf wies der Virologe Christian Drosten bereits im Dezember im NDR-Podcast hin ( ab Minute 24), ist eine Methode am besten geeignet: die Aufteilung der Klassen nach Freundeskreisen. Die Schule fasst also die Schülerinnen und Schüler zusammen, die sich am Nachmittag sowieso sehen. "Man darf nicht die Klassen einfach zufällig teilen", so Drosten, "sondern man muss berücksichtigen, was die Schüler in der Freizeit für Kontakte haben".

Als Margrit Fäßler, Lehrerin an der Friedrich Oberlin Fachoberschule in München und promovierte Medizinerin, den Drosten-Podcast hörte, schrieb sie umgehend dem bayerischen Kultusministerium. Ihr Vorschlag: Die Klassen grundsätzlich "intelligent" zu teilen - also nach Sozialkontakten. Entscheiden sollten darüber die Schüler selbst. Erstens wüssten sie am besten, wer wen am Nachmittag sieht, zweitens diene das der Demokratieerziehung. Das Ministerium schickte ihr ein freundliches Formschreiben zurück. Doch zumindest an ihrer eigenen Schule hat Fäßler sich mit ihrem Vorschlag durchgesetzt. Seit Januar muss dort nicht mehr das Alphabet herhalten, die Klassen teilen sich selber auf.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: