Schule:Ungeübte Hand

Das Schreiben mit Füller und Stift fällt Kindern immer schwerer. Neun von zehn Lehrern geben an, die Handschrift der Schüler habe sich verschlechtert. Und sie haben auch einen Verdacht, woran das liegen könnte.

Von Paul Munzinger

Probleme? Anne Deimel spricht lieber von Herausforderungen, aber davon gibt es beim Thema Handschreiben aus ihrer Sicht eine ganze Menge. Damit meint die 52-Jährige, die seit 15 Jahren eine Grundschule in Arnsberg, Nordrhein-Westfalen, leitet, nicht das schöne oder richtige Schreiben, sondern das Schreiben an sich: Wie halte ich den Stift, wie fest muss ich aufdrücken, wie schreibe ich fließend und unverkrampft, sodass noch Konzentration für den Inhalt übrig bleibt? "Wir merken, dass es immer mehr Kinder gibt, denen es sehr schwerfällt", sagt Deimel.

Schüler können immer schlechter mit der Hand schreiben - dieser Meinung ist nicht nur Deimel, dieser Meinung ist einer Umfrage zufolge auch die überwältigende Mehrheit der Lehrer in Deutschland. Die Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE) hat mehr als 2000 Lehrer befragen lassen und die Ergebnisse am Dienstag in Berlin vorgestellt. 86 Prozent der Lehrer gaben an, die Handschrift der Schüler habe sich verschlechtert. Jedes dritte Mädchen hat ihrer Einschätzung nach Schwierigkeiten mit der Handschrift - und sogar jeder zweite Junge.

Als Gründe sehen die Lehrer vor allem fehlende Routine und die Digitalisierung. Schulleiterin Anne Deimel, die auch stellvertretende Landesvorsitzende des VBE in Nordrhein-Westfalen ist, sagt, dass sich die Bedingungen besonders an den Grundschulen in den letzten Jahren stark verändert hätten. Die familiären Hintergründe der Kinder werden immer unterschiedlicher, während die Zeit, sich um ihre Bedürfnisse zu kümmern, immer weniger wird. Es brauche mehr Personal an den Schulen.

Deimel betont aber auch, dass die Schule Entwicklungen auffangen müsse, die sie kaum beeinflussen könne. So sei es für viele Kinder heute schon vor der Grundschule normal, "zu wischen und zu tippen". Körperliche Bewegung falle vielfach weg: Kneten, Spielen, Fußball. "In vielen Familien fehlt heute die Zeit, Dinge zu machen, für die die Hände gebraucht werden", sagt Deimel. Sie sieht deshalb nicht nur die Schulen, sondern auch die Eltern in der Pflicht - und sei es, indem sie beim Kauf des ersten Füllers genau hinschauen, was ihre Kinder brauchen.

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