Schule:Die Besten von Barmen

Klasse statt Masse: Vier große Stiftungen drängen die Kultusminister, bei Ganztagsschulen auf mehr Qualität zu achten. Vorbilder dafür gibt es.

Von Paul Munzinger

MünchenEine gute Ganztagsschule, davon ist Bettina Kubanek-Meis überzeugt, sollte nicht in zwei Teile zerfallen: nicht wie gewohnt in einen Vormittag mit Unterricht und einen Nachmittag mit Freizeitangeboten, die bisweilen wie Beschäftigungstherapie wirken. Vielmehr gelte es, harte und weiche Elemente sinnvoll über den Tag zu verteilen. An der Gesamtschule Barmen in Wuppertal, die Kubanek-Meis leitet, gibt es eine 20-minütige Frühstückspause sowie eine Stunde Mittagspause, in der die Schüler sich entspannen oder Fußball spielen - "alles, was nichts mit dem Handy zu tun hat", sagt Kubanek-Meis; Handys sind im Pausenhof verboten.

Die Schulstunden sind nicht 45, sondern 65 Minuten lang, damit die Schüler am Tag mit höchstens fünf verschiedenen Materien konfrontiert werden. Dazu kommt freiwillige Lernzeit, die von zwei Dritteln der Schüler in Anspruch genommen werde. Hausaufgaben erledigen sie meist schon in der Schule. Um 15 Uhr ist Schluss, schließlich gebe es noch ein Leben außerhalb der Schule.

Der Ganztag funktioniert an der Gesamtschule Barmen, 2015 wurde sie mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.

Die Zahl der Ganztagsschulen in Deutschland wächst zwar stetig. Besuchte vor 15 Jahren nur einer von zehn Schülern eine solche, sind es heute fast 40 Prozent. Doch die Qualität hat nicht Schritt gehalten. Viele Schüler langweilen sich am Nachmittag, sie empfinden die Angebote als unattraktiv: Zu diesem Ergebnis kam jüngst der Deutsche Kinder- und Jugendbericht. Vor allem aber erfüllt der Ganztag demzufolge seinen eigenen Anspruch nicht, der Chancengleichheit für Kinder, egal welcher Herkunft, näherzukommen.

Viele Möglichkeiten, die Ganztagsunterricht böte, wurden bisher nicht genutzt

Die Bertelsmann-Stiftung, die Robert-Bosch-Stiftung, die Stiftung Mercator und die Vodafone Stiftung fordern nun in einer gemeinsamen Studie eine Qualitätsoffensive für Ganztagsschulen. Nachdem deren Ausbau bislang nach dem Motto "Masse statt Klasse" erfolgt sei, schlagen sie der Kulturministerkonferenz (KMK) eine Reihe von Maßnahmen vor, die auf den Erfahrungen preisgekrönter Ganztagsschulen beruht - darunter jener in Barmen. Zentrale Forderung ist die 40-Stunden-Woche: Ganztagsschulen sollen an allen Wochentagen acht Stunden lang für die Schüler geöffnet sein. Dies ginge deutlich über das Mindestmaß von sieben Stunden an drei Wochentagen hinaus, das die KMK für Ganztagsschulen vorsieht. Falk Radisch, Direktor des Instituts für Schulpädagogik und Bildungsforschung an der Universität Rostock und einer der Mitautoren der Studie, betont, dass die Schüler nicht die vollen 40 Stunden an der Schule verbringen müssten. Es gäbe eine verpflichtende Kernzeit sowie freiwillige Angebote, die von den Schülern gestaltet werden sollen.

Vom 45-Minuten-Takt sollten sich die Schulen lösen, durch längere Taktung wie in Wuppertal oder kürzere Stunden, die Schülern mit kürzerer Aufmerksamkeitsspanne entgegenkämen. Betreute Lernzeiten sollen Hausaufgaben überflüssig machen und eine individuelle Förderung aller Schüler gewährleisten - im Sinne der Chancengleichheit. "Viele Möglichkeiten des Ganztags", sagt Radisch, "sind bisher nicht genutzt worden."

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