Schuldenkrise in Italien:Rom will Berlusconis Rücktritt beschleunigen

Die Finanzmärkte können sich trotz des Rückzugsplans des italienischen Premiers nicht beruhigen: Die Zinsen für italienische Staatsanleihen sind auf Rekordniveau, Italien taumelt immer tiefer in die Krise. Nun drückt Rom bei den von der EU geforderten Reformen aufs Tempo - schon am Wochenende soll das Sparpaket verabschiedet werden. Danach wollte Berlusconi seinen Rücktritt einreichen.

Die Aussicht auf einen Abgang von Ministerpräsident Silvio Berlusconi konnte die Finanzmärkte nicht beruhigen. Im Gegenteil: Erstmals seit der Euro-Einführung sind die Zinsen für italienische Staatsanleihen am Vortag auf mehr als sieben Prozent gestiegen - ein Niveau, auf dem sich die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone auf Dauer nicht wird refinanzieren können. An diesem Donnerstag notierten zehnjährige italienische Staatsanleihen bei 7,35 Prozent.

File photo shows Italy's PM Berlusconi arriving for the second day of the G20 Summit in Cannes

Das Parlament in Rom will offenbar den Rückzug von Ministerpräsident Berlusconi beschleunigen - und schon bis zum Wochenende das geforderte Reformpaket durchdrücken.

(Foto: REUTERS)

Unter dem Druck der Finanzmärkte will Rom nun die von der EU geforderten Reformen deutlich schneller verabschieden: Die Fraktionschefs von Regierungs- und Oppositionsparteien verständigten sich darauf, das Gesetz und die Reformzusätze schon bis Samstagnachmittag durch Senat und Abgeordnetenhaus zu bringen. Der Senat habe am Vorabend bereits mit den Beratungen begonnen. Zuvor hatten italienische Medien berichtet, das Parlament wolle die Reformen bis spätestens Montag definitiv absegnen.

Staatspräsident Giorgio Napolitano versicherte mit Blick auf die alarmierende Situation an den Finanzmärkten die rasche Verabschiedung des Stabilitätsgesetzes. Dann stünde definitiv der Rücktritt von Ministerpräsident Berlusconi an, daran würden keine Zweifel bestehen, so Napolitano weiter. Anschließend werde man so schnell wie möglich mit Konsultationen beginnen, um eine Übergangsregierung zu bilden. Sei dies nicht möglich, gebe es Neuwahlen.

Die Chefin des italienischen Industrieverbandes "Confindustria", Emma Marcegaglia, drängte zur Eile: "Wir können die Wahrheit nicht mehr verheimlichen: Das Land steht am Abgrund. Entweder handeln wir jetzt oder wir enden wie Griechenland." Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte der Nachrichtenagentur dpa: "Italien muss seine Sparanstrengungen verstärken - und das weiß auch die italienische Regierung. Sie hat einen Plan vorgelegt, der jetzt umgesetzt werden muss." Zur Frage, ob die bisherigen Sparpläne Roms ausreichen, sagte die Kanzlerin: "Kein Staat kann zurzeit von sich behaupten, er sei am Ende des Reformweges."

Die Turiner Tageszeitung La Stampa zitierte Berlusconi am Mittwoch mit den Worten: "Da keine anderen Mehrheiten (im Parlament) möglich sind, sehe ich nur Neuwahlen Anfang Februar, bei denen ich nicht mehr kandidieren werde." Der Medienmogul hatte am Vortag seinen Rücktritt angekündigt. Vorher wollte Berlusconi aber erst noch das von der EU geforderte Reformgesetz durchsetzen.

Skeptisch über Berlusconis tatsächlichem Abgang zeigte sich der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Schulz (SPD): "Ich traue Berlusconi nicht - er taktiert. Dass er weg ist, wissen wir erst, wenn er seinen Rücktritt offiziell beim Staatspräsidenten eingereicht hat", sagte er der Passauer Neuen Presse.

Der noch amtierende italienische Ministerpräsident hat eine klare Vorstellung von einem geeigneten Nachfolger. "Der Mitte-rechts-Kandidat wird Angelino Alfano sein, er wird von allen akzeptiert", so der Regierungschef. Alfano, früher Justizminister, ist Chef der Berlusconi-Partei PdL (Popolo della Liebertà, Volk der Freiheit). Ob Alfano, seit langem der Kronprinz des Cavaliere, sich durchsetzt, entscheiden letztlich die 1,2 Millionen PdL-Mitglieder.

Früherer EU-Kommissar Favorit für Übergangsregierung

Die Mitte-rechts-Parteien sind für Neuwahlen, der größte Teil der linken Opposition will eine Übergangsregierung. Als Chef einer solchen wird der frühere EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti gehandelt. Medienberichten zufolge steigen die Chancen auf eine italienische Übergangsregierung unter dessen Vorsitz. Als deutliches Zeichen dafür gilt Beobachtern, dass der italienische Präsidenten Napolitano am Vorabend überraschend Monti zum Senator auf Lebenszeit ernannt hatte. Personen, denen die Auszeichnung Senator auf Lebenszeit zuteil wird, verfügen über Wahlrechte im Senat.

Die Rücktrittsabsicht Berlusconis hatte an den Finanzmärkten für keine Entspannung gesorgt. Der Euro fiel am Mittwoch in Richtung 1,36 US-Dollar. Die europäischen Aktienmärkte starteten zwar mit Gewinnen in den Handel, sackten dann aber rasch mehr als 2,5 Prozent ins Minus. Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen, wird zudem für Rom immer teurer.

Analysten zufolge befindet sich Italien mittlerweile genau in der Lage, in der Griechenland, Portugal und Irland waren, bevor sie unter den Euro-Rettungsschirm schlüpften. Der Hilfsfonds EFSF ist aber nach wie vor viel zu klein, um Italien mit seiner Gesamtschuldenlast von 1,9 Billionen Euro stützen zu können. Das Hebelmodell, mit dem der EFSF nach einem Beschluss der Euro-Staats- und Regierungschefs bis auf eine Billion Euro erweitert werden soll, ist noch nicht funktionstüchtig. Außerdem bestehen nach den jüngsten Turbulenzen in Griechenland kaum Aussichten, dass sich private Investoren oder Staatsfonds etwa aus China und Russland daran in großem Stil beteiligen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: