Schuldenkrise in Italien:"Nun werde ich mein Gesicht hinhalten"

Lange blieb er in Deckung, jetzt gibt Italiens Ministerpräsident Berlusconi überraschend Grundsatzerklärungen zur Schuldenkrise des Landes im Parlament ab. Sein geplanter Auftritt an diesem Mittwoch ist jedoch selbst im eigenen Lager umstritten: Viele fürchten, dass Berlusconis Reden einen negativen Effekt auf Italiens internationales Ansehen haben könnten.

Andrea Bachstein, Rom

Italiens Premier Silvio Berlusconi hat überraschend für diesen Mittwoch Grundsatzerklärungen zur Finanzkrise in beiden Kammern des Parlaments angekündigt. Außerdem ist für Donnerstag ein runder Tisch geplant, an dem Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeber gemeinsam über die Wirtschaftskrise beraten wollen.

Schuldenkrise in Italien: Italiens Premierminister Silvio Berlusconi (Bild vom Juli 2011): Er plant Grundsatzreden zur Finanzkrise im Parlament sowie einen Runden Tisch für Italien.

Italiens Premierminister Silvio Berlusconi (Bild vom Juli 2011): Er plant Grundsatzreden zur Finanzkrise im Parlament sowie einen Runden Tisch für Italien.

(Foto: AFP)

Die Opposition einzubeziehen, lehnt der Ministerpräsident jedoch ab. Er war wochenlang in Deckung geblieben, während an der Mailänder Börse die Kurse stürzten und Italiens Staatsanleihen an den internationalen Märkten zunehmend als Risikopapiere behandelt wurden. Zum ersten Mal will Berlusconi nun die Probleme thematisieren.

Der Druck auf die Regierung in Rom, endlich auf die Vertrauenskrise in das mit 120 Prozent seines Inlandsprodukts verschuldete Italien zu reagieren, kommt nicht nur von den Finanzmärkten. Staatspräsident und Opposition haben die Regierung ebenso zum Handeln aufgefordert wie Bankenvertreter. Über den wachsenden Druck auf Italien wollen bei einem Krisentreffen an diesem Mittwoch in Luxemburg der Vorsitzende der Eurogruppe, Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker, und Italiens Finanzminister Giulio Tremonti reden. Bei dem Gespräch soll es um den Vertrauensschwund der Märkte in die italienische Wirtschaft gehen. Die Zinsen für italienische Anleihen sind in den vergangenen Wochen dramatisch gestiegen.

Gewerkschaften und Unternehmer haben einen gemeinsamen Appell an die Regierung gerichtet, den Rom jedoch tagelang unbeantwortet ließ. Sie fordern dringend Impulse von der Politik wie Steuererleichterungen und Liberalisierungen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und die stagnierende Wirtschaft in Gang zu bringen. Deren Wachstum lag im ersten Quartal 2011 bei nur 0,1 Prozent.

Wie sich an den Finanzmärkten gezeigt hat, reicht das am 15. Juli im Eiltempo durchs Parlament gebrachte Sparpaket von Finanzminister Giulio Tremonti von etwa 80 Milliarden Euro nicht, um internationales Vertrauen in Italiens Stabilität zurückzugewinnen. Und im Land selbst kritisieren sowohl Wirtschafts- und als auch Gewerkschaftsvertreter das Sparpaket. Es enthalte keine Wachstumsimpulse und zu viele Abgabenerhöhungen. Vor allem treten die meisten Einsparungen erst 2013 in Kraft.

Keine Überraschungen

Berlusconi hat seinen Auftritt auch mit der Schwäche von Finanzminister Giulio Tremonti begründet - der ist in der Regierung weitgehend isoliert und durch eine Korruptionsaffäre angeschlagen. "Nun werde ich mein Gesicht hinhalten", lautet Berlusconis Beschluss. Überraschungen werden seine Reden nicht enthalten, heißt es aus Regierungskreisen. Voraussichtlich wird Berlusconi aber bekanntgeben, dass sieben Milliarden Euro für größere Infrastrukturprojekte bereitgestellt werden.

Der Premier spricht nur äußerst selten im Parlament, und im Regierungslager ist sein Versuch umstritten, damit das Vertrauen in die Regierung und die Stabilität des Landes stärken zu wollen. Während eine Gruppe, zu der Außenminister Franco Frattini und der Vorsitzende von Berlusconis Partei PDL, Angelino Alfano gehören, den Premier offenbar zu diesem Schritt drängt, befürchten andere einen Bumerangeffekt. Finanzminister Tremonti soll sogar von "politischem Selbstmord" gesprochen haben. Auch Umberto Bossi, der Vorsitzende von Berlusconis Koalitionspartner Lega Nord, soll den Premier gewarnt haben, er begehe einen großen Fehler, sollte er auftreten.

Die Befürchtung ist, dass Berlusconis Reden in Senat und Abgeordnetenhaus einen negativen Effekt auf das internationale Ansehen Italiens haben könnten. Viele sehen den von Skandalen angeschlagenen Premier und die Zerstrittenheit der Regierung als Gründe für das mangelnde internationale Vertrauen in Italien.

Falls Berlusconi an diesem Mittwoch nichts Neues zu bieten habe, müsse er zurücktreten, fordern Pierluigi Bersani, der Vorsitzende der größten Oppositionspartei PD, und der Chef der kleinen Mitte-rechts-Partei UDC, Pier Ferdinando Casini. Berlusconi sei das Hindernis für das Wachstum der Wirtschaft, sagte Bersani. Der PD-Vorsitzende vertritt auch die Ansicht, die Entscheidung der spanischen Regierung, mit Neuwahlen ein Signal zu setzen, könne für Italien ein Vorbild sein.

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