Schuldenkrise in Griechenland:Ultimatum an Athen

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Weniger als eine Woche bleibt Griechenland, um die Bedingungen der europäischen Partner zu erfüllen: Die Finanzminister der Euro-Länder fordern verbindliche Zusagen aus Athen, dass das Sparpaket auch umgesetzt wird - sonst gibt es kein neues Hilfspaket. Der deutsch-französische Vorstoß für ein griechisches Sperrkonto findet Zustimmung in Brüssel.

Die griechische Regierung hat sich nach langem Ringen auf ein hartes Sparpaket geeinigt - doch das reicht den europäischen Partnern nicht. Mit einem Ultimatum wollen die Euro-Finanzminister weitere Zugeständnisse erzwingen: Innerhalb einer Woche muss Griechenland die Bedingungen erfüllen. Die Euro-Finanzminister vertagten am späten Donnerstagabend in Brüssel ihren Beschluss für ein neues, milliardenschweres Hilfsprogramm auf nächsten Mittwoch.

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos beim Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel: Die europäischen Partner erhöhen den Druck auf Athen - und fordern verbindliche Zusagen. (Foto: action press)

"Wir haben noch nicht alle Bestandteile für eine Entscheidung auf dem Tisch", bilanzierte der Vorsitzende der Ministerrunde, Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker, nach fünfeinhalbstündigen Beratungen. Am Sonntag müsse das griechische Parlament das Sparprogramm beschließen. Die Parteichefs müssten sich noch verpflichten, die vereinbarten Einsparungen in Zukunft einzuhalten. Außerdem fehlten noch konkrete Maßnahmen zur Einsparung von 325 Millionen Euro im laufenden Jahr. "Keine Auszahlung ohne Umsetzung", sagte Juncker.

EU-Währungskommissar Olli Rehn sagte, es gebe auf Mitarbeiter-Ebene eine Vereinbarung zwischen der griechischen Regierung und der Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF). "Diese Vereinbarung auf technischer Ebene wird nun eingehend von den Ministern der Euro-Zone geprüft." Die Troika hatte das neue Programm verhandelt. IWF-Chefin Christine Lagarde begrüßte die "sehr ermutigenden Nachrichten", die aus Athen kämen.

Auch die zähen Verhandlungen in Athen zwischen Regierung und Bankenvertretern für einen Schuldenschnitt um 100 Milliarden Euro hätten laut Rehn zu einem ersten Erfolg geführt. "Der Entwurf einer Abmachung über die Privatsektor-Beteiligung ist praktisch abgeschlossen", sagte Rehn und bestätigte damit Angaben des griechischen Finanzministers Evangelos Venizelos.

Bis zum nächsten Krisentreffen am Mittwoch sollen auch genaue Vorschläge zur Einrichtung eines Sperrkontos für Griechenland vorgelegt werden. "Das wird von der EU-Kommission und der Arbeitsgruppe der Finanzminister ernsthaft erwogen", sagte Rehn. Der deutsch-französische Vorschlag sieht ein Sonderkonto für Griechenland vor, über das die Rückzahlungen an die Gläubiger abgewickelt werden sollen.

Regierungsparteien einigen sich auf Sparpaket

Vor der Brüsseler Krisensitzung hatten sich die Regierungsparteien in Athen auf ein Sparpaket geeinigt. Es sieht neue, erhebliche Einschnitte vor: Niedrigere Mindestlöhne, eingefrorene Gehälter und weniger Staatsdiener. Selbst bei der bis zuletzt umstrittenen Rentenkürzung gab es nach Angaben aus Athen eine Einigung. Bis 2015 soll Griechenland so insgesamt 14 Milliarden Euro sparen, allein dieses Jahr sollen es 3,1 Milliarden sein.

Aus Protest gegen das neue Sparprogramm wollen die griechischen Gewerkschaften am Freitag und Samstag mit umfangreichen Streiks das öffentliche Leben weitgehend lahmlegen. Zudem sind Demonstrationen geplant.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Freitagmorgen in Berlin die Partei- und Fraktionschefs über den Stand der Griechenland-Hilfen unterrichten. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte: "Die Verhandlungen sind weit vorangeschritten, aber wir sind noch nicht so weit." Er forderte ein Programm, dass die Gesamtverschuldung Griechenlands bis Ende des Jahrzehnts auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt. Derzeit sind es rund 160 Prozent. Erlaubt sind höchstens 60 Prozent.

Ob die EZB und nationale Notenbanken bei der Griechenlandrettung mit ins Boot genommen werden sollen, ist weiterhin unklar. EZB-Chef Mario Draghi saß mit am Verhandlungstisch. Der Italiener hatte zuvor in Frankfurt deutlich gemacht, dass die EZB ihren gigantischen Bestand an griechischen Staatsanleihen im Schätzwert von 45 Milliarden Euro zu Geld machen könnte. Möglich ist, die Gewinne über die Euroländer an Athen weiterzureichen. Maßgeblich für die Gewinne wäre der jeweilige Anteil der Länder am EZB-Kapital.

Bisher wurde in Griechenland nur über einen Schuldenschnitt der Privatgläubiger wie Banken und Versicherungen verhandelt. Der freiwillige Schuldenschnitt ist ein Baustein des neuen Hilfspakets für Griechenland. Er soll die griechischen Staatsschulden von rund 350 Milliarden Euro um rund 100 Milliarden Euro mindern.

Gegner der Sparprogramme argumentieren, diese schadeten Griechenlands Wirtschaft. Sie dürften sich durch die neuesten griechischen Arbeitslosenzahlen bestätigt fühlen. Erstmals sind mehr als eine Million Griechen ohne Job. Die Statistikbehörde hat die Zahl während der Verhandlungen in Athen veröffentlicht.

Die Katastrophe auf dem griechischen Arbeitsmarkt nimmt also kein Ende. Insgesamt waren nach Angaben des Amtes Elstat 1,03 Millionen Menschen ohne Job. Die Arbeitslosenquote betrug im November 20,9 Prozent. Im Oktober 2011 waren es noch 18,2 Prozent gewesen, im November vor zwei Jahren 13,9 Prozent.

Die Betroffenen brauchen noch dringender einen Job als in nordeuropäischen Staaten: Denn Arbeitslose erhalten in Griechenland nur ein Jahr lang Arbeitslosengeld. Danach bekommen sie normalerweise keine Unterstützung mehr.

Der Wirtschaftsminister des Landes, Michalis Chrysochoidis, macht für die Krise auch die Subventionspolitik der EU verantwortlich - und die Reaktion seiner Landsleute darauf. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte er: "Während wir mit der einen Hand das Geld der EU nahmen, haben wir nicht mit der anderen Hand in neue und wettbewerbsfähige Technologien investiert. Alles ging in den Konsum." Das Ergebnis sei gewesen, dass jene, die etwas produzierten, ihre Betriebe geschlossen und Importfirmen gegründet hätten. Denn damit habe sich mehr verdienen lassen. "Das ist das eigentliche Desaster dieses Landes", sagte Chrysochoidis.

Das Land habe seine Werte verloren. Dazu gehörte auch "harte Arbeit." Vor allem aber sei die politische Klasse schuld.

Nachdem die Möglichkeit eines Euro-Austritts Griechenlands selbst innerhalb der EU-Kommission kein Tabu mehr ist, geht das Drama in seine entscheidende Phase. Finanzminister Evangelos Venizelos wählte emotionale Worte: "Wir müssen den Griechen in die Augen sehen, uns das nationale Interesse anschauen und die Interessen unserer Kinder." Aus Sicht des Staatssekretärs im Arbeitsministerium wurde die Grenze des Zumutbaren mit dem Sparpaket offenbar schon überschritten: Giannis Koutsoukos trat aus Protest gegen die harten Kürzungen sozialer Programme zurück.

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