Schuldenkrise in den USA:Der neue Carter und der Kampfhund von Bush

Wer kann Amerikas Schuldendrama noch zum Guten wenden? Die Hauptrollen spielen weder US-Präsident Obama noch seine möglichen republikanischen Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen. Das Schicksal der mächtigsten Landes der Welt hängt am Verhalten anderer Politiker.

Johannes Aumüller und Gökalp Babayigit

Was macht eigentlich Sarah Palin? Das letzte Mal, dass die US-Politikerin in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde, ist schon mehr als zwei Wochen her. Da kam die Meldung, dass in rund einem Dutzend amerikanischer Kinos ein Palin-freundlicher Dokumentationsfilm mit dem Titel The Undefeated (zu Deutsch: Die Unbesiegte) anlaufe. Seitdem war von der früheren Gouverneurin von Alaska, der Frontfrau der radikalen Tea-Party-Bewegung und der möglichen republikanischen Präsidentschaftskandidatin für die Wahlen im November 2012 außer ein paar Twitter-Einträgen nichts zu hören. Obwohl in den USA doch das eine oder andere passierte, was eine Wortmeldung einer möglichen Präsidentschaftskandidatin gerechtfertigt hätte.

US-DIPLOMACY-AFRICA-OBAMA

US-Präsident Barack Obama ist in der Debatte um die Anhebung der Schuldenobergrenze zum Zuschauer degradiert worden.

(Foto: AFP)

Zu Sarah Palins Ehrenrettung sei gesagt: Diese Auffälligkeit betrifft nicht nur sie. Es gibt derzeit so viele republikanische Politiker, die sich als möglicher Obama-Herausforderer ins Gespräch bringen - und kaum einer ist richtig präsent in den Diskussionen um die Anhebung der Schuldenobergrenze und die Abwendung des Government Shutdown, also jenen Momentes, in dem die USA ihre Beamten und ihre Schulden nicht mehr bezahlen können. Weder der derzeitige Favorit Mitt Romney. Noch der texanische Gouverneur Rick Perry. Noch das Partei-Urgestein Newt Gingrich. Am ehesten, allerdings auch mit Abstrichen, noch Jon Huntsman und Michele Bachmann.

Die republikanischen Politiker, die Amerikas Schuldendrama noch zum Guten wenden können, sind drei andere:

[] John Andrew Boehner, Sprecher des Repräsentantenhauses: "Bewegt Eure Ärsche und stellt Euch hinter mich", schrie Boehner in einer der vielen Pizza-Partys in der vergangenen Woche - und in diesem Moment musste selbst Sarah Palin den Ernst der Lage erkennen. Denn gemeinhin gilt der 61-Jährige zwar als harter Verhandler und gewiefter Strippenzieher, aber auch als umgänglicher Typ. Geschichten wie die von Boehner lieben die Amerikaner: Geboren in einer Arbeiterfamilie mit zwölf Kindern, stieg er mit einem Verpackungsunternehmen später zum Millionär auf - und wechselte in den neunziger Jahren in die Politik. Dort genoss er lange den Ruf, die Republikaner gut im Griff zu haben. Dieser Ruf ist nun dahin - egal, wie das Schuldendrama endet.

[] Addison Mitchell, genannt Mitch, McConnell, republikanischer Minderheitenführer im Senat: Im Senat von Washington ist er ein Urgestein, seit 1985 sitzt er dort für den Bundesstaat Kentucky. Der 69-Jährige gilt als vernünftig und kompromissbereit - kein Wunder, dass er als mitentscheidend für den neuen Optimismus auf eine Last-Minute-Lösung gilt. Und in der Diskussion mit seinen widerborstigen Parteikollegen setzt er nun auch noch ein raffiniertes historisches Argument ein - indem er auf die Folgen des Government Shutdowns von 1995 verweist. "Wir wussten, dass er uns nicht helfen würde", sagte er kürzlich. "Er hat Bill Clinton geholfen, wiedergewählt zu werden. Ich weigere mich, Barack Obama zur Wiederwahl zu verhelfen."

[] Eric Cantor, republikanischer Mehrheitsführer im Repräsentantenhaus: Er ist der Hardliner unter den derzeit einflussreichen Republikanern. Jeden noch so kleinen Kompromiss-Ansatz bekämpfte er in den vergangenen Tagen vehement, Steuererhöhungen sind für ihn undenkbar - eine Haltung, die der 43-Jährige offenbar vererbt bekam. Denn schon sein Vater war politisch aktiv gewesen: als Schatzmeister für Ronald Reagan.

"Obama verwandelt sich in Jimmy Carter"

Seine Gegner stören sich aber nicht nur an seinen Meinungen, sondern auch an seinem Auftreten. Er vertritt seine Position nämlich bisweilen auf eine recht flegelhafte Art. Sowohl gegenüber John Boehner, dessen Posten Cantor wohl gerne hätte, als auch gegenüber US-Präsident Barack Obama. Dieser soll bei einem Treffen über Cantors ständige Unterbrechungen so erbost gewesen sein, dass er einfach den Raum verließ. Diesen Stil hatte Cantor schon in jungen Politikerjahren gepflegt, seine Gegner verpassten ihm deshalb einen Spitznamen: "Kampfhund von Bush".

Eine ähnliche Analyse trifft allerdings auch für die Demokraten zu. Denn dort ist derzeit der Senat-Mehrheitsführer Harry Reid der entscheidende Mann - der 71-jährige Vertreter des Bundestaates Nevada, der im Präsidentschaftswahlkampf 2008 für Aufregung gesorgt hatte. Damals sagte er, er halte Barack Obama für einen guten Kandidaten, da er "ein hellhäutiger Schwarzer" sei und "keinen Negerdialekt" spreche. Eine Entgleisung, für die er sich später entschuldigte.

Präsident Obama hingegen, der "mächtigste Mann der Welt", wurde im Zuge der Verhandlungen immer mehr zum Nebendarsteller degradiert. Zu Beginn hatte er noch in direkten Verhandlungen mit den Kongressführern einen Deal vereinbaren wollen - was kläglich scheiterte. Dann musste er zusehen, wie sich im Kongress die beiden Parteien beharkten, beschimpften und keinen Deut annäherten. Zwischendurch preschte er lediglich mit einer Veto-Ankündigung vor, als die Republikaner vorschlugen, eine zweite Abstimmung über die Anhebung der Schuldenobergrenze vor den Präsidentschaftswahlen im kommenden Jahr abzuhalten.

Erst am Samstag stürzte sich Obama wieder ins Getümmel. Er musste, da Mitch McConnell darauf bestanden hatte. "Wir haben nur noch wenig Zeit", sagte Obama nach dem Treffen. "Die Zeit für einen Kompromiss im Namen des amerikanischen Volkes ist gekommen."

Wie viel sich im letztendlich beschlossenen Deal von dem wiederfindet, für das Obama einst eingetreten war, ist beinahe unerheblich: Er geht geschädigt aus diesen ewigen Auseinandersetzungen. Die demokratische Basis ist verärgert, weil in ihren Augen sehr viel Terrain aufgegeben wurde, die Umfragewerte des Präsidenten sind wieder abgerauscht. Auf den Vorschlag verzweifelter Parteikollegen, er solle mit Verweis auf den 14. Zusatzartikel der Verfassung die Haltung der Republikaner ignorieren und das Finanzministerium zur Zahlung der Rechnungen trotz Schuldengrenze verdonnern, ignorierte er.

Gut zu vernehmen waren hingegen die Stimmen demokratischer Kongressabgeordneter, die Obama als schlechten Verhandlungsführer schalten. "Der Präsident klingt wie eine Mischung aus einem gereizten Professor und einem schimpfenden Vater", sagte der New York Times zufolge ein demokratischer Senator. Ein anderer habe beklagt: "Wir sehen zu, wie sich Obama vor unseren Augen in Jimmy Carter verwandelt."

Der Erdnuss-Farmer aus Georgia war erstens als Zauderer verschrien und zweitens der letzte Demokrat, der nur eine Amtszeit lang Präsident war.

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