Schuldenkrise in den USA:Der herabgestufte Präsident

Für viele Amerikaner ist die S&P-Abstufung eine Schmach, für die Republikaner ist sie eine Steilvorlage, um den angeschlagenen Präsidenten heftig zu kritisieren: Obama muss angesichts der Kreditkrise und der hohen Arbeitslosigkeit um seine Wiederwahl im nächsten Jahr fürchten.

Christian Wernicke

Der Präsident hat Schuld. Das jedenfalls glaubt Michele Bachmann, jene konservative Kongressabgeordnete und Tea-Party-Aktivistin, die sich gerade um die republikanische Präsidentschaftskandidatur 2012 bewirbt. Bei einem Auftritt im Bundestaat Iowa tat sie am Wochenende bereits so, als stünde sie Barack Obama gegenüber: "Es geschah unter Ihrer Verantwortung", rief Bachmann dem Amtsinhaber zu, "als es darauf ankam, waren Sie verschollen!"

Barack Obama

Us-Präsident Barack Obama muss angesichts der Schuldenkrise in den USA um seine Wiederwahl fürchten.

(Foto: AP)

Dass die Nation erstmals in ihrer Geschichte die Schmach zweitklassiger Kreditwürdigkeit ertragen müsse, sei die Verantwortung des Mannes im Weißen Haus.

Obama - the downgraded president? Tatsächlich hatte die Ratingagentur Standard and Poor's die Herabstufung amerikanischer Staatspapiere vorrangig politisch begründet: Die Selbstblockade des Regierungssystems und vor allem "die tiefe Kluft zwischen den Parteien" untergrabe das Vertrauen in Amerikas Zahlungsfähigkeit. Wie zum Beweis fielen führende Kongresspolitiker erneut übereinander her. John Boehner, oberster Republikaner im Repräsentantenhaus, schlug das S&P-Urteil den Demokraten um die Ohren, die nicht bereit seien zu den notwendigen Einschnitten bei Renten- und Krankenversicherung.

Prompt erwiderte Harry Reid, der Fraktionschef der Demokraten im Senat, die Republikaner verweigerten die zur Etatsanierung nötigen Steuererhöhungen. Obama beantwortete das Misstrauensvotum von S&P mit einem Appell zu überparteilicher Zusammenarbeit. Das Sparpaket sei nur ein Anfang: "Beide Parteien müssen zusammenarbeiten für einen größeren Plan, der die Finanzen unserer Nation in Ordnung bringt."

Solche Aufrufe zu Gemeinsinn artikuliert Obama seit Jahren. Seine nationale Karriere begann 2004, mit einer legendären Rede vor dem Parteitag der Demokraten in Boston, in der er die Spaltung der USA in rote (also republikanische) und blaue (demokratische) Bundesstaaten anprangerte. "Es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika!" Im Wahlkampf 2008 wiederum versprach der demokratische Kandidat, er könne "das parteipolitische Gezänk" überwinden und "die Art und Weise verändern, wie Washington funktioniert". Seither jedoch verschärfte sich die Konfrontation im Kongress nur. Auch die Gesellschaft bleibt gespalten: Laut Umfragen war das Ansehen des Staatsoberhauptes zwischen beiden Parteilagern noch nie so umstritten wie im Falle dieses 44. US-Präsidenten.

Der Kulturwandel ist nicht gelungen

Obama ist der versprochene Kulturwandel nicht gelungen - und das hat nun ökonomische Folgen. Das Downgrading von S&P kann zu höheren Kreditkosten und also zu geringeren Investitionen führen, was wiederum die Schaffung neuer Arbeitsplätze erschweren würde. Die chronisch hohe Arbeitslosigkeit von 9,1 Prozent belastet Obamas Image schon heute. Nach Meinung aller politischen Analysten hat der Demokrat nur dann Aussicht auf eine zweite Amtszeit, wenn es ihm gelingt, bis zum Wahltag am 4. November 2012 deutlich mehr Amerikanern einen Job zu verschaffen.

Auch dazu hat der vorige Freitag, der Tag von Amerikas Downgrading, neue Erkenntnisse geliefert. Immerhin 117 000 neue Jobs wurden im Juli geschaffen, mehr als im Mai und Juni. Aber immer mehr Menschen resignieren. Nur noch 58,1 Prozent der US-Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter haben einen Job, das ist die niedrigste Quote seit 1983. Matt McDonald, ein Politberater in Washington, hat ausgerechnet, dass Obama ab sofort jeden Monat 250 000 neue Jobs braucht, um die Arbeitslosenquote wie versprochen auf unter acht Prozent zu drücken.

Im Weißen Haus wissen sie, was droht: Seit dem legendären Franklin D. Roosevelt in den dreißiger Jahren gelang keinem Präsidenten die Wiederwahl, wenn die Arbeitslosigkeit am Wahltag bei mehr als 7,2 Prozent lag

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