Schuldenkrise:Glaubwürdigkeits-Test für Griechenland

Greece's Prime Minister Alexis Tsipras Returns To Athens Office

Tsipras, nach den Besprechungen in Brüssel wieder in Athen.

(Foto: Bloomberg)
  • Die Verhandlungen über das Rettungsprogramm für Griechenland könnten auch in der Schlussphase noch scheitern.
  • Ministerpräsident Alexis Tsipras hat mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert, um Druck auf die Europäer auszuüben.
  • Tsipras hatte sich am Freitag in letzter Minute entschieden, eine bereits in Aussicht gestellte Zahlung an den IWF nicht zu tätigen.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, Alexander Mühlauer, Brüssel und Christiane Schlötzer

Erst telefonierte Alexis Tsipras in der Nacht mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, dann griff er am Freitag zum Hörer, um den russischen Präsidenten Wladimir Putin anzurufen. Beides sind Anzeichen dafür, dass die Verhandlungen über das Rettungsprogramm für Griechenland auch in der Schlussphase noch scheitern könnten. Putin wurde von der Tsipras-Regierung bereits zuvor als Nothelfer ins Spiel gebracht, aber Moskau hat bislang keine Absichten erkennen lassen, dem vor der Staatspleite bedrohten Euro-Land mit Krediten unter die Arme zu greifen.

Daher sollte das Telefonat mit dem Kreml wohl auch eher politisch wirken und Druck machen auf Merkel und die Euro-Partner. Tsipras unterstreicht gern einmal die geostrategische Lage seines Landes, zumal wenn am Wochenende auch noch US-Präsident Barack Obama zum G-7-Gipfel kommt. Es ist bekannt, dass die Regierung in Washington die EU inzwischen drängt, die Euro-Krise nicht mehr länger schwelen zu lassen.

Eine Front gegen die gemeinsame Linie der Geldgeber

Am Freitag sollte eigentlich ein weiteres Treffen von Tsipras mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stattfinden. Dies kam aber nicht zustande, nachdem Tsipras Merkel am Telefon gesagt hatte, das gemeinsame Papier von EU-Kommission, EZB und IWF könne nicht Grundlage einer Einigung mit Athen sein. Also alles wieder auf Anfang? Junckers Chefsprecher Margaritis Schinas: "Es ist kein kurzfristiges Treffen zu erwarten."

Statt nach Brüssel zu fliegen informierte Tsipras am Freitagabend erst einmal das Parlament in Athen über den Stand der Dinge. Dort überraschte der Premier mit dem Satz: "Wir sind einem Abkommen näher denn je." Zugleich aber beharrte er darauf, dass eine Einigung mit den internationalen Kreditgebern einen Schuldenerlass einschließen müsse. Eine andere Vereinbarung werde er nicht unterzeichnen. Zuletzt hat sich vor allem im Linksaußen-Lager von Syriza eine Front gegen die Linie der Geldgeber formiert. Während Vertraute Tsipras geraten hatten, am Freitag eine Rate von 300 Millionen Euro an den IWF zu zahlen, feierten die anderen, dass der Premier sich offenbar in letzter Minute dagegen entschied, obwohl er die Zahlung den Kreditgebern schon in Aussicht gestellt hatte.

Merkel wurde von dem Schwenk sehr wahrscheinlich überrascht. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte, dass Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande am Donnerstagabend mit Tsipras telefoniert hätten. Details wollte er nicht nennen.

Das Telefongespräch dauerte aber deutlich länger als geplant; 90 Minuten lang. Tsipras hat dabei erneut auf den eigenen Vorschlag an die Kreditgeber verwiesen. Vergleicht man beide Papiere, so liegt die finanzielle Differenz unbestätigten Angaben aus Athen zufolge bei etwa 1,2 Milliarden Euro. Diese Summe wird von den Geldgebern zusätzlich von Athen gefordert. Allerdings enthält der griechische Vorschlag auch einige Luftlöcher, wie beispielsweise Lizenzgebühren der TV-Anstalten von einer halben Milliarde Euro im Jahr. Deren Werbeeinnahmen sollen in Wahrheit nur bei etwa 160 Millionen liegen. Flexibler als früher zeigt sich die Tsipras-Regierung in den Fragen der Privatisierung von Staatseigentum, und auch bei der Erschwerung der Frühverrentung. Trotzdem ist eine umfassende Rentenreform, wie sie die Geldgeber verlangen, immer noch ein heißes Eisen, das Syriza in Athen jetzt nicht anfassen will.

Den gemeinsamen Katalog hatte Juncker Tsipras erst am Mittwochabend bei einem Arbeitsessen in Brüssel präsentiert. Am Tag danach erzählte Juncker, die Verhandlungen seien "sportlich" gewesen. Juncker hatte sich schon zuvor immer wieder um Vermittlung mit Athen bemüht. Deshalb soll auch der Kommissionschef nicht gerade amüsiert gewesen sein, als Tsipras am Freitag die Kreditrate an den IWF nicht überwies. Die Bündelung der Zahlungen zum Monatsende wurde zwar vom IWF genehmigt, aber sie erzeugt zusätzlichen Druck, weil klar ist, dass Athen Ende Juni die dann fälligen 1,6 Milliarden Euro kaum aufbringen können wird. Ende Juni läuft auch die Frist für das jetzige Kreditprogramm für Griechenland aus. Gibt es bis dahin keine Einigung - oder keine nochmalige Verlängerung -, sind die restlichen 7,2 Milliarden Euro aus dem Hilfspaket für Athen verloren.

Finanzminister Varoufakis kommt nach Berlin - nicht auf Einladung von Schäuble

Kommende Woche will Griechenland erneut Geld am Kapitalmarkt holen. Die Versteigerung zweier Geldmarktpapiere, sogenannter T-Bills, soll am 10. Juni 2,25 Milliarden Euro für die Staatskasse einbringen. Das kündigte die für das Schuldenmanagement zuständige Finanzagentur am Freitag an. Mit den Einnahmen sollen zwei ältere Schuldpapiere an die Geldgeber zurückgezahlt werden. Die Auktionen sind ein wichtiger Test, ob sich noch private Kapitalgeber finden. Zuletzt haben solche Papiere praktisch nur noch die griechischen Banken gekauft, die wiederum massiv von der eigenen Zentralbank und damit letztlich von der EZB gestützt werden müssen.

Der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ist weiter unterwegs in Europas Hauptstädten. Auch nach Berlin kommt er. Aber nicht auf Einladung von Finanzminister Wolfgang Schäuble, sondern der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Sie hat den Griechen, offenbar auf Anregung linker SPD-Mitglieder, zu einem Vortrag am Sonntag gebeten.

Am Freitag flatterte, wie ein Sprecher von Schäuble sagte, dann auch dem Finanzministerium eine Anfrage auf den Tisch: Da Varoufakis schon mal in Berlin sei, bitte er auch um einen Termin mit seinem deutschen Kollegen. Das allerdings gestaltete sich schwierig. Schäuble sei am Montag nicht in Berlin. Dann aber: "Nach heutiger Planung könnte es Dienstagvormittag zu einem Treffen kommen." Als Zusage wollte der Sprecher das noch nicht verstanden wissen. Denn am Dienstagvormittag sei schon der finnische Finanzminister Alexander Stubb zu Gast. Der ist nun gerade ein Kritiker des Rettungsprogramms für Griechenland.

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