Baden-Württemberg:Schaffe, schaffe, Schulden mache

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Nicht mehr ausgeben, als man hat: Das ist der Gedanke hinter der Schuldenbremse. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Baden-Württemberg war maßgeblich an der Einführung der Schuldenbremse beteiligt. Nun mehren sich ausgerechnet im Heimatland der schwäbischen Hausfrau die Rufe nach Sondervermögen aller Art. Ha no!

Von Roland Muschel, Stuttgart

Als die Schuldenbremse für Bund und Länder 2009 in Kraft trat, war das für Baden-Württemberg eine große Sache. Schon ein Jahr zuvor hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die „schwäbische Hausfrau“ als Gegenmodell zu den Auswüchsen gepriesen, die in der Bankenkrise mündeten. „Man hätte einfach die schwäbische Hausfrau fragen sollen“, sagte Merkel 2008, natürlich in Stuttgart. „Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben.“

Mit der Schuldenbremse war die schwäbische Hausfrau nicht mehr nur Synonym für Sparsamkeit. Sie wurde zum Fixpunkt deutscher Finanzpolitik: Bund und Länder sollten keine Kredite mehr aufnehmen. An der Reform hatten baden-württembergische Politiker ihren Anteil. Der damalige Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) war Co-Vorsitzender jener Föderalismuskommission, die der Schuldenbremse den Weg ebnete. Gleich fünf Politiker aus dem Südwesten mischten in dem Gremium mit, darunter auch Winfried Kretschmann (Grüne), der heutige Ministerpräsident. „Die Schuldenbremse spricht Schwäbisch“, schrieb die Stuttgarter Zeitung.

Ausgerechnet aus Baden-Württemberg mehren sich nun jedoch Rufe nach Sondervermögen aller Art. Kreditfinanzierte Sondervermögen sind eine Möglichkeit, das Schuldenverbot zu umgehen. Aber sie sind auch ein Konstrukt, das die schwäbische Hausfrau Merkel’scher Prägung mutmaßlich empört zurückweisen würde: Ha no!

So überraschte es etwas, als Ministerpräsident Kretschmann kürzlich ein Sondervermögen für die Bahn anregte und obendrein noch ein Sondervermögen für den Aufbau eines grünen Wasserstoffnetzes. In beiden Bereichen hat der Südwesten Sorge, abgehängt zu werden. Kretschmanns ehemaliger Parteifreund Boris Palmer legt nun mit der Forderung nach einem „Bau-Sondervermögen für die kommunalen Wohnbaugesellschaften“ über 100 Milliarden Euro nach – exakt die Summe, die der Bundestag dem „Sondervermögen Bundeswehr“ zugebilligt hat. In einer gemeinsamen Denkschrift mit dem örtlichen Mieterbund begründet der Tübinger Oberbürgermeister den Vorstoß mit einer „prekären Situation“ auf dem Wohnungsmarkt, unter der Mieter wie Baubranche litten. Kommunale Wohnbaugesellschaften könnten durch Neubauten vor Ort gezielt die Not lindern. Dafür sei ein Sondervermögen notwendig, denn die Kommunen seien finanziell am Limit. In seiner Bürgersprechstunde, sagt Palmer, dominiere inzwischen die Frage nach bezahlbarem Wohnraum. Das in einem Schlager besungene Bild vom schwäbischen Häuslebauer („schaffe, schaffe, Häusle baue“) bilde die Realität längst nicht mehr ab. Heute könnten sich viele schon die Mieten kaum noch leisten. 

Finanzwissenschaftler ohne landsmannschaftliche Vorbelastung konnten der Idee noch nie viel abgewinnen, makroökonomische Herausforderungen mit einem Hausfrauenvergleich anzugehen. Gleichwohl blieb das Stereotyp der sparsamen Verwalterin schwäbischer Familienkassen populär, gerade in Württemberg, wo Armut und Pietismus lange prägend waren. Erst im Frühjahr forderte der CDU-Fraktionschef im Landtag, Manuel Hagel, „eine Art Ewigkeitsgarantie für die Schuldenbremse, dass die Diskussion endlich mal aufhört“.

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