BildungSchüleraustausch in die USA? Not so sure

Lesezeit: 3 Min.

Tausende deutsche Jugendliche zieht es jedes Jahr in die Vereinigten Staaten – nicht nur, um mit den typisch gelben Schulbussen zu fahren.
Tausende deutsche Jugendliche zieht es jedes Jahr in die Vereinigten Staaten – nicht nur, um mit den typisch gelben Schulbussen zu fahren. (Foto: Phelan M. Ebenhack/AP)

Lange galt die US-amerikanische Highschool als Sehnsuchtsort vieler deutscher Schüler. Inzwischen gibt es erste Absagen. Schreckt die Politik von Präsident Trump Jugendliche ab?

Von Lisa Nguyen, Berlin

Nur drei Wochen verbrachten Chingiz Akbarli und seine 19 Mitschüler in den USA, doch der Ausflug hätte amerikanischer kaum sein können. Die Ankunft der Berliner Gymnasiasten feierte man in Seattle mit Pizza, sie besuchten Football-Spiele, an Halloween kamen sie kostümiert in die Highschool, am Ende verbrachten sie ein paar Tage in New York.

Könnte er sich vorstellen, in die USA zurückzukehren, vielleicht sogar für ein ganzes Jahr? „Fürs Erste nicht“, sagt der 17-jährige Akbarli am Telefon. Obwohl er sich in Seattle schnell wohlgefühlt habe, komme aufgrund der aktuellen Politik von US-Präsident Trump ein längerer Aufenthalt für ihn nicht infrage – selbst nicht in einem demokratisch regierten Bundesstaat wie Washington oder bei einer liberalen Gastfamilie wie seiner. Er befürchtet, wegen seines Migrationshintergrunds bei der Ein- oder Ausreise Probleme zu bekommen. „Hätte man mich aber vor einem Jahr gefragt, hätte ich wahrscheinlich Ja gesagt.“

Seine Bedenken sind nicht unbegründet. Seit Trumps Rückkehr ins Amt häufen sich Berichte über Deutsche, die trotz einwandfreier Papier in Abschiebehaft geraten sind. Ende März warnte US-Außenminister Marco Rubio ausländische Studierende: Wer Unruhe stifte, dem könne das sogenannte F1-Visum, für Studierende und Schüler, entzogen werden.

Die Nachfragen seien „unterdurchschnittlich“

Die Zahl der Reisen aus Deutschland insgesamt ist zuletzt zurückgegangen: Laut der Washington Post, die sich auf Daten der International Trade Administration beruft, reisten im März im Vergleich zum Vorjahresmonat 28 Prozent weniger Deutsche in die Vereinigten Staaten.

Und die Austauschprogramme?

Vereinzelt gibt es Berichte von Jugendlichen, die ihr Auslandsjahr nach Kanada verlegen. An mehreren Gymnasien bei Bonn können die Schüler diesen Herbst ihren Austausch erst gar nicht antreten oder ihre Austauschschüler empfangen – die Partnerschulen in den USA sagten ab. Fördergelder seien eingefroren worden, so die Begründung von amerikanischer Seite. Weil sich eine Partnerschule an der Grenze zu Kanada befindet, hätten einige der in Kanada lebenden Lehrer Probleme damit, ein- und auszureisen. Sich um einen Schüleraustausch zu kümmern, sei daher gerade nicht die Priorität der Schule.

Der schulische und akademische Austausch zwischen Deutschland und den USA hat eine lange Tradition – und wird von beiden Ländern finanziell unterstützt. Dazu gehören unter anderem das Parlamentarische Patenschafts-Programm (PPP) und German American Partnership Programm (GAPP), gefördert vom Pädagogischen Austauschdienst (PAD) der Kultusministerkonferenz. Bislang habe man bislang keinen abnehmenden Trend erkennen können, teilt das PAD auf Anfrage mit. Die Austausche, die in diesem Jahr schon stattgefunden haben, seien bereits lange geplant gewesen.

Die USA waren bislang das beliebteste Gastland – trotz allem

Auch die prestigeträchtige Deutsch-Amerikanische Fulbright-Kommission, die Stipendien an Studenten und Doktoranden vergibt, wird mit öffentlichen US- und deutschen Geldern gefördert. Im Frühjahr hatte das US-Außenministerium die Förderung vieler Stipendiaten weltweit vorübergehend pausiert. Auf die Frage, ob auch deutsche Fulbright-Stipendiaten betroffen waren und sich die Bewerberlage dadurch verändert hat, hat Fulbright Germany bislang nicht geantwortet.

Um einen deutlichen Knick zu erkennen, ist es laut Thomas Terbeck, Geschäftsführer des Bildungsberatungsdiensts „weltweiser“, noch zu früh. Für das kommende Schuljahr, das im August oder September 2025 startet, mussten die Schüler sich bereits im August bis Dezember 2024 bewerben – also bevor Trump sein Amt antrat. Allerdings werden auch im Frühjahr restliche Plätze vergeben, und da sei durchaus festzustellen, dass die Nachfragen und Buchungen unterdurchschnittlich seien, meint Terbeck. So berichteten es ihm jedenfalls die Austauschorganisationen.

Klar ist aber auch: Dass weniger deutsche Schüler in die USA gehen wollen, ist kein neues Phänomen. Laut einer aktuellen „weltweiser-Studie“ ist die Zahl der Schüleraustausche in die USA seit dem Schuljahr 2011/12 kontinuierlich gesunken, also unabhängig davon, ob der US-Präsident Obama, Trump oder Biden hieß.

Das liege auch daran, dass in den vergangenen Jahren andere englischsprachige Länder wie Neuseeland, Kanada oder Australien bei Schülern beliebter geworden seien, sagt Terbeck. Vorteil dieser Länder sei, dass sich die deutschen Schüler dort eine bestimmte Schule oder Stadt auswählen könnten. Diese Flexibilität gebe es in den USA in der Regel nicht.

Und trotzdem standen die USA bislang an der Spitze: Im Schuljahr 2022/23 haben 4782 Jugendliche sich für einen längeren Aufenthalt in die USA entschieden, also rund 37 Prozent aller Teilnehmer. Danach folgten Kanada mit 3498 deutschen Jugendlichen und Irland mit 1151. Terbeck sieht vor allem zwei Gründe: Zum einen lösten die Vereinigten Staaten mit ihrer Popkultur, Kleidung und Musik immer noch eine Faszination aus, trotz allem. Zum anderen kostet der Besuch einer öffentlichen Schule in den Vereinigten Staaten für ein Jahr laut der weltweiser-Studie samt Flug und Versicherung zwischen etwa 9200 und 16000 Euro – in Großbritannien zum Beispiel ist es noch deutlich mehr, zwischen rund 18000 und 24000 Euro.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

USA
:Trumps härtester Gegner

Wenn es in den USA noch ein unpolitisches Lebensmittel gab, dann das Hühnerei. Doch jetzt zerlegen sich die Amerikaner auch noch über die Frage, was zuerst da war: Trump oder die explodierenden Preise? Na dann: Frohe Ostern.

SZ PlusVon Boris Herrmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: