Schröder wirbt für Moskau:Der Traum vom großen Trio

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Altkanzler Gerhard Schröder erklärt, warum die Deutschen Russland brauchen - und wie sich die USA eingliedern sollen.

Franziska von Kempis, Potsdam

Im Saal F1-F3 des Dorint Hotels in Potsdam stand er vor einigen Jahren schon einmal. Damals hat er unter Buhrufen und Pfiffen auf einer der vielen Regionalkonferenzen die Agenda 2010 verteidigt.

Gerhard Schröder (r.) und Manfred Stolpe in Potsdam. Der SPD-Politiker Stolpe war am 9. Dezember zum zweiten Mal innerhalb von fünf Jahren wegen Darmkrebs operiert worden. (Foto: Foto: dpa)

Diesmal wird Gerhard Schröder mit Applaus empfangen, als er den Saal betritt. Er lächelt sein Kanzler-Lächeln und winkt den Gästen zu. Mehrere hundert Menschen sind gekommen. Die Frage des heutigen Abends: "Verstehen wir die Russen richtig - ist unser Umgang mit ihnen angemessen?"

Der Abend wurde vom ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe moderiert. Stolpe war in der Regierung Schröder für Verkehr und den Aufbau Ost zuständig.

Altkanzler als Verteidiger Russlands

Schröders prorussische Einstellung ist für viele Deutsche nicht gerade einfach. Da wäre einmal seine Rolle als Aufsichtsratschef der Ostseepipeline-Betreibergesellschaft NEGPC, die vom russischen Unternehmen Gazprom dominiert wird. Oder seine Freundschaft zum russischen Premier und ehemaligen Präsidenten Wladimir Putin, den Schröder einst als "lupenreinen Demokraten" bezeichnete.

Altkanzler Schröder hat sich in den Augen der Deutschen in den letzten Jahren als großer Verteidiger des russischen Weges der "gelenkten Demokratie" gezeigt, wofür er in Medien und Öffentlichkeit vielfach kritisiert wurde. Viele Deutsche haben für seine Aussagen kein Verständnis, wenn zugleich der Georgien-Krieg, der Gas-Streit mit der Ukraine und die Menschenrechtsverletzungen die Schattenseiten des russischen Systems aufzeigen.

Schröder wirbt an diesem Abend für Russland und erinnert an die Schwierigkeiten des Landes nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Man dürfe nicht vergessen, dass Russland eben keine demokratische Vergangenheit habe, sagt er an diesem Abend im Dorint Hotel und ruckt vor, um dem noch mehr Nachdruck zu verleihen.

Er zieht Vergleiche zu Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und weist darauf hin, dass die deutsche Rechtsstaatlichkeit auch noch nicht so alt sei. Mit anderen Worten: Russland braucht noch Zeit.

Schröder hält das deutsche Russland-Bild für sehr einseitig. Weil man den Russen oft das nicht zugesteht, was anderen erlaubt wird. "Wir dürfen in der Beurteilung Russlands nicht mit unterschiedlichen Standards arbeiten", verdeutlicht er. Der russische Gesamteindruck bestehe nicht nur aus Menschenrechten und Demokratie, "nur in der Gesamtheit lassen sich die Beziehungen verstehen".

"Keine unterschiedlichen Standards"

Die Zeit nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sei für die westlichen Medien die Geburtstunde der russischen Demokratie gewesen. Die meisten Russen hätten dies jedoch als Zeit des Chaos und der Korruption wahrgenommen.

An die deutschen Russlandkritiker appelliert er, sich an die Vergangenheit zu erinnern. 27 Millionen Sowjetbürger seien den Deutschen im Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. "Vor dem Hintergrund der gemeinsamen Geschichte grenzt die Versöhnung von russischer Seite aus an ein Wunder", sagt der Sozialdemokrat.

Das ressourcenreiche Russland ist laut Schröder für Deutschlands und Europas Zukunft unabdingbar. In der nächsten Dekade würde sich die Frage stellen, "mit wem Russland zusammengeht, Europa oder Asien". Deutschland, beziehungsweise die gesamte Europäische Union brauche Russland. Russland habe in China eine Alternative - Deutschland nicht.

Das ressourcenarme Europa dagegen könne nur bestehen, "wenn man alles zusammenbringt", was in der EU an Technik und Wissenschaft und in Russland an Know-how und Ressourcen vorhanden ist. "Sonst werden wir keine große Rolle im Konzert der drei großen Weltregionen spielen", warnt er. Doch dafür brauche es eine gegenseitig verständnisvolle Partnerschaft.

Hoffen auf Obama

Jetzt setzt Schröder auf den neuen US-Präsidenten Barack Obama. Dass dieser das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Russland verbessert. Dann kann das entstehen, was Schröder sich vorstellt: Eine Troika, bestehend aus den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und Russland.

Dass man ihn nicht falsch versteht: Auch der Altkanzler unterstützt eine zukünftige Unabhängigkeit Deutschlands von der russischen Energie. Genauso wie wir das russische Gas bräuchten, brauche Russland europäische Gas-Abnehmer.

Wer energiepolitisch unabhängig sein wolle, müsse auf erneuerbare Ressourcen setzen. Auch hier müsse man mit Russland auf eine gemeinsame Zukunft hinarbeiten.

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