Süddeutsche Zeitung

Rosneft:Schröders überraschende Wende

Seit Langem wird der frühere Bundeskanzler für seine engen Beziehungen zu Russlands Präsident Putin hart kritisiert - und nun auch sanktioniert. Sein Rückzug aus dem russischen Energiekonzern Rosneft wird daran wohl nichts ändern.

Von Nico Fried, Berlin

Sehr viel wurde erst einmal gar nicht bekannt. Und doch lässt das, was man weiß, eine überraschende Wendung in einer erstaunlichen Männerfreundschaft vermuten: Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder wird sein Mandat als Chef des Aufsichtsrates für den russischen Ölkonzern Rosneft aufgeben. Schröder habe mitgeteilt, dass es ihm unmöglich sei, sein Mandat in dem Gremium zu verlängern, erklärte der Konzern am Freitag. Gründe wurden nicht genannt.

Doch die Tatsache, dass neben dem sozialdemokratischen Ex-Kanzler auch der mit Schröder eng verbundene deutsche Geschäftsmann Matthias Warnig den Aufsichtsrat verlässt, deutet darauf hin, dass es einen politischen Hintergrund gibt und der 78-jährige Schröder nicht aus Alters- oder Gesundheitsgründen ausscheidet.

Auffallend ist, dass Schröder die Aufgabe seines Mandats ankündigen ließ, nachdem das Europäische Parlament sich mit großer Mehrheit dafür ausgesprochen hatte, ihn neben anderen früheren Politikern auf russischen Gehaltslisten mit Sanktionen zu belegen. Allerdings müsste so ein Beschluss von den EU-Staaten einstimmig gefasst werden. Kanzler Olaf Scholz hatte erst am Donnerstagabend einen solchen Schritt als "nicht erforderlich" bezeichnet. Dass der Kanzler da schon wusste, dass Schröder bei Rosneft ausscheiden würde, ist eher unwahrscheinlich. Es soll zwischen Scholz und Schröder keinen Kontakt geben.

Der Posten bei Rosneft, den Schröder sehr zum Missfallen der SPD und ihres Kanzlerkandidaten Martin Schulz mitten im Bundestagswahlkampf 2017 angenommen hatte, soll mit 600 000 Dollar pro Jahr dotiert gewesen sein. Wie Schröder mit den beiden Mandaten in den Verwaltungsräten der Gas-Pipelines Nord Stream und Nord Stream 2 umgeht, blieb am Freitag zunächst offen. Gleiches gilt für die Frage, ob der Ex-Kanzler das Angebot annimmt, demnächst in den Aufsichtsrat des halbstaatlichen Gazprom-Konzerns einzutreten. Schröder hatte sich dazu bisher nicht öffentlich festgelegt.

Der Ex-Kanzler war kurz nach dem Ende seiner Amtszeit 2005 nach eigener Darstellung von Präsident Wladimir Putin eingeladen worden, in das Aufsichtsgremium von Nord Stream einzutreten. Er will darin die logische Konsequenz seines Engagements für die Pipeline während seiner Kanzlerschaft gesehen haben. Kritiker hielten ihm stets vor, politische und persönliche Interessen zu vermischen. Doch Schröder nahm spätere weitere Mandate in der russischen Energiebranche an.

Nach der Annexion der Krim durch Russland 2014 und noch mehr wegen des Überfalls auf die Ukraine im vergangenen Februar war Schröder wegen seiner Geschäftsbeziehungen, aber auch wegen seiner persönlichen Loyalität zu Wladimir Putin unter massiven Druck geraten. Er verlor oder verzichtete auf zahlreiche Ehrentitel, mehrere SPD-Kreisverbände initiierten Ausschlussverfahren, die Mitarbeiter seines Altkanzler-Büros in Berlin baten um Versetzung, die SPD-Spitze forderte ihn auf, von sich aus die Partei zu verlassen, Scholz, einst Generalsekretär des Parteivorsitzenden Gerhard Schröder, forderte ihn wiederholt auf, seine Geschäftsmandate niederzulegen.

Der Ex-Kanzler aber verteidigte seine Posten immer wieder - auch mit politischen Motiven. Dabei brachte er sich auch als möglichen Vermittler ins Spiel. Wenn er jetzt auf Distanz zu Putin gehe, sagte Schröder Ende April der New York Times, würde er das Vertrauen des einzigen Mannes verlieren, der den Krieg beenden könne: Putin. Zu diesem Zeitpunkt hatte Schröder allerdings auf Bitten der Ukraine schon einmal mit dem russischen Präsidenten in Moskau gesprochen, ohne dass greifbare Ergebnisse herausgekommen waren. Über weitere Gespräche ist nichts bekannt. Allerdings soll Schröder auch im Blick gehabt haben, nach dem Krieg als Brückenbauer nach Moskau wirken zu können.

Schröder beschrieb sich selbst auch als Vertreter deutscher Interessen in den russischen Konzernen. So stimmte er als Aufsichtsrat von Rosneft dem Kauf der Öl-Raffinerie in Schwedt zu, weil er - so der Ex-Kanzler - den Verkauf der für die Ölversorgung in Nord- und Ostdeutschland wichtigen Raffinerie an einen privaten Fonds verhindern wollte. Für den Fall, dass die russische Regierung einen Öl-Boykott gegen Deutschland verhängen würde, kündigte er seinen Rücktritt aus dem Aufsichtsrat an.

Am Donnerstag hatte der Haushaltsausschuss des Bundestages Schröder die Mittel für sein Altkanzler-Büro in Berlin gestrichen. Sein Rückzug bei Rosneft dürfte daran nichts ändern. Denn SPD, Grüne, FDP und Union hatten die Russland-Beziehungen Schröders - obwohl diese natürlich der politische Anlass waren - nicht als offizielle Begründung für die Streichung angeführt. Stattdessen argumentierten sie, die Abwicklung des Büros sei statthaft, weil Schröder keine Aufgaben mehr in Verbindung mit seiner Kanzlerschaft wahrnehme. Schröder will diese Maßnahme nun rechtlich prüfen lassen. Damit beauftragte er inzwischen den Rechtsanwalt Michael Nagel in Hannover, der bereits den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff erfolgreich gegen den Vorwurf der Vorteilsnahme verteidigt hatte.

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