Albrecht Funk war dabei, als Gerhard Schröder seine vielleicht wichtigste Rede hielt. Im März 2003 feilte der damalige stellvertretende Leiter des Kanzlerbüros zusammen mit wenigen anderen engen Vertrauten noch bis in die Nacht hinein an Schröders Regierungserklärung zur Agenda 2010. Funk, ein Sozialdemokrat aus Hessen, war wenige Monate zuvor aus der Parteizentrale in Schröders Büro gewechselt. 20 Jahre ist er dort geblieben, hielt für den Ex-Kanzler seit 2005 die Stellung in Berlin. Wer Schröder kontaktieren wollte, ging über Funk, der stets schnell und verbindlich antwortete. Oft musste er um Verständnis bitten, dass Schröder sich nicht äußern wolle, aber manchmal machte er auch Unmögliches möglich.
Jetzt verlässt Albrecht Funk, 53, das Büro des Ex-Kanzlers, und mit ihm wollen auch die drei übrigen Mitarbeiter Schröders in Berlin gehen. "Ich kann bestätigen, dass die vier Mitarbeiter in dem Büro gebeten haben, wieder in anderen Funktionen zu arbeiten", erklärte Funk gegenüber Reuters. Zuerst hatte das Nachrichtenportal The Pioneer über die Trennung berichtet. Zu den Gründen wollte sich Funk auch gegenüber der SZ nicht äußern. Hintergrund sollen Meinungsverschiedenheiten über Schröders Verhalten mit Blick auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine sein. Funk soll dazu geraten haben, dass Schröder seine Posten bei russischen Energieunternehmen aufgeben und sich trotz seiner persönlichen Freundschaft zu Wladimir Putin deutlich vom russischen Präsidenten distanzieren solle.
Wenn das zutrifft, würde es bedeuten, dass es zunehmend einsam wird um Schröder. Am Wochenende hatte bereits der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil von Schröder Konsequenzen gefordert. "Mit einem Aggressor, mit einem Kriegstreiber wie Putin macht man keine Geschäfte", schrieb er auf Facebook. "Als Bundeskanzler a. D. handelt man nie komplett privat. Schon gar nicht in einer Situation wie der jetzigen." Klingbeil gilt eigentlich als Vertrauter des Ex-Kanzlers. Im letzten Bundestagswahlkampf war Klingbeil, der vor einigen Jahren im Abgeordnetenbüro Schröders gearbeitet hatte, der einzige SPD-Politiker, den der Ex-Kanzler mit einer öffentlichen Veranstaltung in Klingbeils niedersächsischem Wahlkreis unterstützte.
Die Suche nach neuem Personal könnte schwierig werden
Funks Gesuch um Versetzung richtet sich an das Kanzleramt, zu dem die Stellen gehören. Ob es neue Mitarbeiter geben wird, ist offen. Formal entscheidet darüber der Chef des Kanzleramtes, Wolfgang Schmidt, in der Regel nach Rücksprache mit dem Ex-Kanzler. Allerdings könnte auch die Suche nach neuem Personal wegen der massiven Kritik an Schröder und seiner Haltung gegenüber Putin schwierig werden. Die Kosten für das Ex-Kanzlerbüro beliefen sich zuletzt auf 407 000 Euro.
Der Ex-Kanzler hat zwar den Krieg Russlands gegen die Ukraine kritisiert. Seine Posten in den Verwaltungsräten der Betreiberkonsortien der Nord-Stream-Pipelines sowie im Aufsichtsrat des Ölkonzerns Rosneft hat er bislang - im Gegensatz zu anderen europäischen Spitzenpolitikern, die für russische Firmen arbeiteten - aber nicht aufgegeben. Auch will er offenbar nicht darauf verzichten, demnächst ein Mandat im Aufsichtsrat des russischen Konzerns Gazprom anzunehmen.
Schröder hatte am vergangenen Donnerstag erklärt: "Der Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine muss schnellstmöglich beendet werden." Dies sei "die Verantwortung der russischen Regierung". Es war das erste Mal, dass er in der aktuellen Krise deutlich auf Distanz zu Putin ging, ohne ihn allerdings beim Namen zu nennen. Wenige Wochen zuvor hatte Schröder in seinem Podcast "Agenda" noch die Ukraine aufgefordert, das "Säbelrasseln" einzustellen. Der Podcast wird nun zunächst auch nicht weitergeführt. Das sagte Schröders früherer Regierungssprecher Bela Anda der Bild-Zeitung.
CDU-Generalsekretär Mario Czaja forderte die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil in einem Brief auf, ihren Einfluss auf Schröder geltend zu machen, damit dieser sich von seinen Verbindungen zu russischen Firmen zurückzieht. Schröder solle auch keine Mittel aus dem Bundeshaushalt für seine Ausstattung mehr erhalten. Alles andere wäre "zynisch gegenüber dem heroischen Freiheitskampf unserer ukrainischen Freundinnen und Freunde", so Czaja in dem Schreiben, über das der Bild-Journalist Ralf Schuler auf Twitter berichtete.
Der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Sebastian Brehm, lobte die Entscheidung der Mitarbeiter Schröders, sich versetzen zu lassen. Sie zeigten "mehr Rückgrat als Herr Schröder", so Brehm in einer Pressemitteilung. Dieser habe mit seinem bisherigen Festhalten an den lukrativen Posten von Putins Gnaden jeden moralischen Kredit verspielt. "Es ist jetzt an der Zeit, dass auch die SPD Konsequenzen zieht."
Brehm sprach sich zudem dafür aus, die frei werdenden Plätze im Schröder-Büro nicht neu zu besetzen. "Es ist angesichts der Haltung Schröders im Krieg gegen die Ukraine jetzt der richtige Zeitpunkt, dessen Altkanzler-Büro aufzulösen", sagte der CSU-Politiker.