Schreiber und die CDU-Spendenaffäre:Aufklärung im Dreck der Vergangenheit

Die Kohl-CDU hat der Spendenskandal beinahe zerrissen - die neue steht ganz gut da: Dennoch ist der jetzt anstehende Prozess gegen den notorischen Wichtigtuer Schreiber nur eine archäologische Expedition in alte, dreckige politische Gesteinsschichten - und kein Wahlkampfthema.

Heribert Prantl

In der Politik werden die Dinge meist schneller bestraft als im Strafrecht. Die politische Abrechnung über den Spendenskandal hat längst stattgefunden: Die alte CDU, die des Helmut Kohl, hat es fast zerrissen; sie hat, damals, viele Wahlen verloren. Das ist lange her. Die neue CDU, die der Angela Merkel, steht wieder ganz gut da. Zehn Jahre sind eine Ewigkeit im politischen Geschäft.

Karlheinz Schreiber, AP

Karlheinz Schreiber in Kanada kurz vor seiner Abschiebung nach Deutschland.

(Foto: Foto: AP)

Der Strafprozess gegen den schillernden Schmieranten Karlheinz Schreiber, der nach dessen mehr als zehnjähriger Flucht nun endlich beginnen kann, ist also politisch eine archäologische Expedition in das aberwitzigste Jahr der bundesdeutschen Parteiengeschichte: Alt-Kanzler Helmut Kohl als Gesetzesbrecher, Geheimkonten und Geheimtresore der CDU, falsche Rechenschaftsberichte, nicht verbuchte Groß- und Barspenden.

Der Prozess gegen den Ex-Waffenlobbyisten bohrt in alte, dreckige politische Gesteinsschichten. Schreiber hat viel Geld in der Kohl-CDU und der Strauß-CSU verstreut. Was hier noch ans Licht kommt, kann spektakulär sein - es geht um finanzielle Manipulationen und um das Lügengebäude, das darüber errichtet wurde. Vielleicht kommen die von Helmut Kohl immer noch nicht genannten Großspender ans Licht. Vielleicht auch noch Überraschendes oder Unappetitliches zu den Finanzen der CSU.

Aber zu viel an Erkenntnissen sollte man sich von den Aussagen des Angeklagten Schreiber nicht erwarten. Der Mann ist ein notorischer Wichtigtuer, ein Aufschneider, der sich als Nabel der Politik betrachtet und jahrelang einen sensationsgierigen Journalismus mit widersprüchlichsten Aussagen zum Narren gehalten hat.

Dem 1990 beinahe zu Tode geschossenen Wolfgang Schäuble drohte er mit einem "Todeskuss". Die Einzelheiten einer 100.000-Mark-Parteispende von Schreiber an Schäuble sind in der Tat bis heute nicht geklärt - zum Beispiel die Frage, wann und wie das Geld an Schäuble übergeben wurde. In diesen Details hat sich Schäuble verheddert.

Schäuble hat, anders als Kohl, keine geheimen Konten angelegt; er hat aber klebriges Geld angefasst. Mehr an Erkenntnissen ist von dem Prozess nicht mehr zu erwarten. Schäuble war und ist das eigentliche Opfer der ganzen Affäre. Ohne Schreiber wäre womöglich er und nicht Angela Merkel heute CDU-Chef und Bundeskanzler. Darüber kann man spekulieren; von politischer Bedeutung sind solche hypothetischen Kausalitäten nicht.

Den Wahlkampf wird der nahende Prozess gegen Schreiber kaum beeinflussen können. Die Ausgrabung der Schmutzigkeiten der alten CDU belasten nicht die CDU der Angela Merkel. Die Kanzlerin kann darauf verweisen, dass sie sich im Dezember 1999 in einer spektakulären Erklärung von Kohl abgewendet hat. Das ist ihr Persilschein, das war ihr größter Coup, davon zehrt sie bis heute. Die Zeiten, in denen die SPD vom CDU-Spendenskandal gewaltig profitieren konnte, sind vorbei. Die Verjährungsfristen der Politik sind kürzer als die im Strafrecht.

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