Schottlands Verbleib im Vereinigten Königreich:Wider den Schrebergarten

Das Vereinigte Königreich bleibt, was es ist: vereinigt. Das ist eine gute Entscheidung. Sie erspart Schotten, Briten, den Europäern und selbst der Welt eine Menge Ärger. Denn wer Probleme mit neuen Grenzen lösen will, der spielt vor allem mit Emotionen.

Kommentar von Stefan Kornelius

Die Wähler in Schottland haben entschieden: klar, klug und kalkuliert. Schottland bleibt Teil der Union, das Vereinigte Königreich bleibt was es ist: vereinigt. Das ist aus einer überwältigenden Zahl von Argumenten eine gute Entscheidung, die den Schotten, den Briten, den Europäern und - ja, selbst dies - der Welt insgesamt eine Menge Ärger erspart. Denn trotz aller berechtigten Klagen der Unabhängigkeits-Befürworter über Schottlands Vernachlässigung in der Union: Die Staatlichkeit hätte Schottland nicht mehr Freiheit gegeben, sondern vor allem mehr politische und ökonomische Unsicherheit.

Wer im Zeitalter des zusammenwachsenden Europas Probleme mit neuen Grenzen lösen will, der spielt vor allem mit Emotionen. Abgrenzung, der Rückzug in den eigenen Schrebergarten mag vielen Bürger in einer unübersichtlichen Welt Halt geben. Aber diese Welt verlangt von ihren hochvernetzten und voneinander abhängigen Staaten weniger Abgrenzung und mehr kluge Arbeitsteilung.

Cameron steht für Ignoranz aus London

Die Schotten können nicht alleine nur auf ihre schottische Identität setzen, sie sind eben auch Briten und Europäer. Die Abspaltungs-Kampagne hat eine sehr kleine Welt gezeichnet, in der die Schotten glücklich werden sollten. Sie spielte mit Gefühlen von Minderwertigkeit, Vernachlässigung und Trotz. Jeder Populismus in Europa lässt sich aus diesen Zutaten zusammenrühren.

Jenseits dieser dumpfen Seite offenbarte die Unabhängigkeits-Kampagne aber auch ein echtes Missverhältnis im britischen Staat. Schottland war lange Zeit ein vernachlässigter Landesteil. Diesen Mangel an Föderalismus hat das zentralistische Großbritannien um den Moloch London bisher nur halbherzig ausgeglichen. Es wird das Verdienst der Kampagne gewesen sein, viele frische Rechte in den Norden geholt zu haben. Schottland hat so mehr erreicht, als es in eigenen Landesgrenzen hätte schaffen können.

Die Ignoranz aus London hat einen Namen: David Cameron. Obwohl der Premierminister das Referendum mittrug, nahm er es nie wirklich ernst und vollbrachte eine atemberaubend schlechte strategische Leistung. Beinahe wäre Cameron der Politiker gewesen, der den Zerfall eines mehr als 300-jährigen Staatsgebildes zu verantworten gehabt hätte. Die Kampagne war ihm entglitten.

Das Referendum beschädigt Cameron also weiter. Er ist offenbar nicht der Mann, der die Briten aus ihrer großen nationalen und europäischen Identitätskrise befreien kann. Jede gute Opposition sollte aus diesem Zustand Kraft schöpfen.

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