Schottland:Die Unabhängigkeit ruft

Boris Johnson Visits Scotland

Am Donnerstag reiste Großbritanniens Premier Boris Johnson eilig nach Schottland und besichtigte eine Produktionsstätte für Impfstoffe.

(Foto: WPA Pool/Getty Images)

Die Schottische Nationalpartei wird nicht nur die Regionalwahl im Mai haushoch gewinnen, sie verknüpft ihren Erfolg jetzt mit der Forderung nach einem Unabhängigkeitsreferendum. Großbritannien stürzt erneut in eine Krise.

Die Regierung Schottlands und die britische Zentralregierung haben die vergangene Woche genutzt, um sich mit voller Wucht in die nächste Auseinandersetzung um die Unabhängigkeit des Landesteils zu stürzen. Nachdem die in Schottland regierende National Party (SNP) unter Nicola Sturgeon zu Wochenbeginn einen klaren Fahrplan zur Unabhängigkeit vorgelegt hat, reagierte die Zentralregierung in London prompt: Premierminister Boris Johnson verbrachte den Donnerstag mit einer hastig anberaumten Visite in Schottland und hinterließ die Botschaft, dass es ein neues Referendum mit ihm nicht gebe. Damit steuern schottische Nationalisten und Anhänger des Unionsstaates auf die nächste Konfrontation zu.

Johnsons Besuch wurde von Sturgeon und ihren Parteigängern verspottet. Die Chefin der Regionalregierung nannte die Reise "nicht essentiell" und bezichtigte Johnson damit indirekt, die eigenen Reiseregeln in Corona-Zeiten gebrochen zu haben. Johnson tat dies freilich ab und verließ Schottland mit der Botschaft, dass er nach dem letzten gescheiterten Referendum von 2014 keinen Anlass sehe, schon wieder abstimmen zu lassen.

Die SNP hatte am vergangenen Sonntag den Startschuss zu einer neuen Runde im Unabhängigkeitskampf gegeben, indem sie einen klaren Zusammenhang zwischen der Regionalwahl am 6. Mai und dem Referendum herstellte. Sollte die Partei die Wahl deutlich gewinnen, woran kein Zweifel besteht, werde sie das als Mandat für ein Referendum interpretieren. Damit wird die Regionalwahl aus Sicht der Separatisten zu einem Vor-Referendum.

Sturgeon kündigte an, dass sie bei einem entsprechend klaren Votum die Zustimmung der britischen Zentralregierung zur Unabhängigkeit einfordern werde. Nach dem Scotland Act kann nur die Regierung des Königreichs dem schottischen Parlament die Vollmacht für eine weitgehend unabhängige Gesetzgebung erteilen. In Verfassungsfragen entscheidet demnach London. Den Landesteilen bleibt nur, den politischen Druck auf die Zentralregierung zu erhöhen.

Sturgeon will London im Mai um Zustimmung für ein Referendum bitten

Verweigert Johnson, wie mehrfach angekündigt, diese Vollmacht, bleiben der SNP zwei Optionen: eine frei angesetzte Abstimmung, die dann wohl von der Opposition boykottiert würde und damit jede Legitimation vermissen ließe; und ein Gesetz des schottischen Parlaments als Grundlage für ein Unabhängigkeitsreferendum.

Sturgeon machte klar, dass sie nach der Wahl im Mai London um Zustimmung für ein Referendum bitten werde. Sollte die Bitte abgelehnt werden, werde das schottische Parlament ein eigenes Gesetz für ein Unabhängigkeitsreferendum verabschieden und damit den Druck deutlich erhöhen. Die Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes würde dann von der Londoner Zentralregierung abgesprochen. Der Konflikt würde dann vermutlich vor dem Obersten Gerichtshof Großbritanniens enden, der über die Verfassungsrechte des Parlaments in Edinburgh entscheiden muss.

Jenseits der rechtlichen Fragen vertraut die Regionalregierung unter Sturgeon auf den Wählerwillen, der momentan so eindeutig ist wie selten zuvor. Die SNP kann nach dem Brexit und mitten in den britischen Corona-Problemen erst mal mit einer absoluten Mehrheit bei der Parlamentswahl im Mai rechnen.

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