Vor vier Wochen erst saß Alex Salmond auf einem Podium in der Londoner Innenstadt, um zu tun, was er am liebsten getan hat: über seinen Glauben an die schottische Unabhängigkeit zu reden. Die Vereinigung der Auslandspresse in London hatte Salmond eingeladen, den früheren First Minister Schottlands und langjährigen Chef der Scottish National Party (SNP), und Salmond redete ausführlich über die Geschichte Schottlands und über die Geschichte der Partei, die ja auch die Geschichte seines Lebens war. Ein neues Referendum sei möglich, sagte Salmond, Schottlands Autonomie war für ihn bis zum Schluss weit mehr als eine vage Idee.
Am Samstag ist Alex Salmond im Alter von 69 Jahren überraschend gestorben.
Alex Salmonds Platz in der Geschichte Schottlands wäre beinahe auch einer in der Geschichte des Vereinigten Königreichs geworden. Er, der die mittelalterliche Geschichte Schottlands studierte und nach seiner Zeit in der Royal Bank of Scotland in den Achtzigerjahren Politiker wurde, überzeugte Millionen Schotten davon, dass die Unabhängigkeit von England richtig sei. Das Referendum, das er 2014 durchsetzte, verlor er dann allerdings 45 zu 55 Prozent, am Tag danach trat er als schottischer Regierungschef und als SNP-Vorsitzender zurück und übergab die Geschäfte an Nicola Sturgeon.
Er war kein Mann der Mitte, die Schotten liebten oder hassten ihn
Das Referendum machte Salmond zu einer auch über Schottlands Grenzen hinaus bekannten Figur. Er war ein politisch links stehender Radikaler, er führte die SNP zur einzigen absoluten Mehrheit einer Partei in Schottland seit Beginn der Dezentralisierung, die besagt, dass Schottland zwar Teil des Königreichs ist, in bestimmten Fragen aber selbständig entscheiden darf. Gleichzeitig war es insbesondere das Referendum, das Salmonds polarisierende Wirkung zementierte. Er war nie ein Mann der moderaten Mitte, die Schotten liebten oder hassten ihn.
Sie sei „schockiert und traurig“ über die Nachricht von Salmonds Tod, teilte Nicola Sturgeon am Samstag mit, auch der aktuelle schottische First Minister John Swinney sowie der britische Premierminister Keir Sarmer kondolierten. Sie wolle aber auch nicht so tun, sagte Sturgeon, „als sei alles, das zum Zusammenbruch unserer Beziehung geführt hat, nie passiert“.
Salmond war einst Sturgeons Mentor gewesen, nach seinem Rücktritt verschlechterte sich das Verhältnis. Es eskalierte, als Salmond 2018 wegen Vorwürfen der sexuellen Nötigung und versuchter Vergewaltigung von Mitarbeiterinnen angeklagt wurde. Salmond wurde 2020 in allen 14 Anklagepunkten freigesprochen und war danach überzeugt davon, es habe sich um eine Verschwörung von Sturgeons Regierung gegen ihn gehandelt.
Sein politisches Leben führte Salmond anderswo fort. Er gründete 2021 die Alba-Partei, deren Chef er bis zu seinem Tod am Wochenende war. Seinen einstigen Erfolg konnte Salmond mit Alba nicht wiederholen, die Partei spielt in Schottland kaum eine Rolle. Auch, weil die einst marginale Rand-Partei SNP von Salmond in den Neunziger- und Nullerjahren zur logischen Regierungspartei Schottlands geführt wurde. Erst bei der letzten Wahl im Juli im Königreich unterlag die SNP erstmals wieder nach fast zwanzig Jahren gegen die Labour-Partei.
In den Siebzigern wurde er aus der Partei ausgeschlossen, aber er kehrte zurück
Salmond wurde am 31. Dezember 1954 in Linlithgow geboren, einer Kleinstadt gut dreißig Kilometer westlich von Edinburgh. 1973 wurde er Mitglied der damals konservativ-nationalistischen SNP und wurde sechs Jahre später wieder ausgeschlossen, weil er zusammen mit anderen versuchte, die Partei von innen heraus zu einer links-sozialistischen Partei umzuformen. Mitte der Achtziger kehrte er zurück und wurde für die SNP ins Unterhaus in Westminster gewählt. Insgesamt führte Salmond die SNP mit einer Unterbrechung zwanzig Jahre lang.
Die letzten Tagen seines Lebens verbrachte Alex Salmond bei einer politischen Konferenz in Nordmazedonien, wo er am Freitag eine Rede hielt. Es ging darin, natürlich, um die schottische Unabhängigkeit: Wenn Schottland sich 2014 anders entschieden hätte, sagte Salmond, hätte sich alles anders entwickelt, nicht nur für Schottland. David Cameron, der damalige britische Premierminister, wäre zurückgetreten, und das EU-Referendum hätte nie stattgefunden: „Schottland und der Rest des Vereinigten Königreichs wären jetzt Partner in der EU.“
Alex Salmond habe am Samstagvormittag Meetings besucht, teilte der Veranstalter mit. Beim Mittagessen habe er einen Herzinfarkt erlitten. Er sei noch am Ort verstorben.