Kanzler:Scholz redet Debatte um Vertrauensfrage klein

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Bundeskanzler Olaf Scholz beim ZDF-Sommerinterview. (Foto: Thomas Kierok/dpa)

Der Kanzler will sich trotz der historisch miesen Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Für die Ukraine präsentiert er eine neue Idee.

Eine Vertrauensfrage im Bundestag ist eine große Sache. Kommt ja nicht oft vor. Und kann auch schiefgehen. Für Olaf Scholz ist das Nachdenken über dieses verfassungsrechtliche Instrument aber offenbar nur eine kleine Sache. Eine sehr kleine, um genau zu sein. Im ZDF-„Sommerinterview“, das am Sonntagabend ausgestrahlt wurde, wählte er das Diminutiv, um die Debatte kleinzureden, wählte in dem Fall das Suffix -chen. Und setzte zur Sicherheit noch ein „klein“ davor.

Ob er sich derzeit sicher genug sei, die Vertrauensfrage zu stellen, lautete die Frage der ZDF-Redakteurin Diana Zimmermann. Und die Antwort des Kanzlers: „Das ist doch ein kleines Oppositionsideechen, dass man mal immer so alle drei Wochen dieses Wort sagt.“ Übersetzt heißt das: Scholz will trotz der historisch miesen Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen keine Vertrauensfrage stellen, weil die Ampel ja eine Mehrheit habe, die Aufgaben zu tun, um die es nun gehe, sagte er. Wobei das Wort „Oppositionsideechen“ wirklich nicht leicht auszusprechen ist.

Scholz sagte, er wolle jetzt kämpfen

Scholz geht zudem davon aus, dass Regierungsbildungen in Deutschland auf absehbare Zeit schwierig sein werden. „Wenn ich mit Ihnen meine Zahnschmerzen teilen darf: Ich befürchte, wie auch immer alles in den nächsten Jahren sein wird, wir werden noch viele, viele Jahre in Deutschland Konstellationen haben, in der es sehr kompliziert ist, Regierungen zu bilden.“ Das werde man im Bund wie in den Ländern sehen. „Und deshalb kommt es darauf an, dass wir einen Stil miteinander zustande bekommen, in dem die Tatsache, dass Parteien miteinander regieren, die das vielleicht nicht bei ihrer Geburt gedacht haben, trotzdem so ausgeht, dass man was schafft.“ Auf dieser Ebene habe die Ampel viel geleistet.

Scholz sagte, er wolle jetzt kämpfen, um „bei der nächsten Bundestagswahl ein starkes Mandat zu bekommen. Wir haben das ja schon mal geschafft.“ Die SPD nannte Scholz „eine kampferprobte Partei“. Er habe trotz Kritik aus der SPD-Fraktion das Gefühl, „dass wir alle zusammenhalten“. Auf die Frage des Tagesspiegels vom Wochenende, ob er Verteidigungsminister Boris Pistorius die Kanzlerkandidatur überlassen würde, wenn er zu dem Schluss käme, dass die SPD mit ihm bessere Chancen hätte, antworte der Kanzler übrigens: „Auch Boris Pistorius will, wie viele andere, dass ich wieder als Kanzler antrete. Ich sehe das genauso.“ Wenn da nicht mal ein paar SPD-Politiker ein paar andere Ideechen haben.

„Ich habe ein gutes Verhältnis zu Wolodimir Selenskij“

Außerdem sprach sich Scholz für intensivere diplomatische Bemühungen um eine Beendigung des russischen Angriffskriegs in der Ukraine aus. „Ich glaube, das ist jetzt der Moment, in dem man auch darüber diskutieren muss, wie wir aus dieser Kriegssituation doch zügiger zu einem Frieden kommen, als das gegenwärtig den Eindruck macht“, sagte der SPD-Politiker im ZDF. Auf die Frage, ob es eine weitere Friedenskonferenz geben solle, antwortet er: „Es wird auf alle Fälle eine weitere Friedenskonferenz geben. Und der (ukrainische) Präsident und ich sind einig, dass es auch eine sein muss mit Russland dabei.“ Scholz wich der Frage aus, ob er dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij noch vertraue, nachdem bekannt wurde, dass ein Ukrainer an der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee beteiligt gewesen sein soll. „Ich habe ein gutes Verhältnis zu Wolodimir Selenskij“, sagte der Kanzler. „Und gleichzeitig ist für mich völlig klar, dass diese Sache aufgeklärt werden muss.“

Die Ukraine versucht, einen eigenen Friedensplan von der Weltgemeinschaft absegnen zu lassen. Bei der Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz im Juni stimmten bereits zahlreiche Länder diesem Plan zu, allerdings ist Russland nicht in diese Verhandlungen eingebunden. Der Friedensplan aus Kiew sieht den Abzug russischer Truppen aus allen Gebieten der Ukraine vor, einschließlich der Krim. Daneben soll Russland Reparationszahlungen zustimmen. Zuletzt sollen sich alle Verantwortlichen für den Krieg in Moskau – Politiker und Militärs gleichermaßen – vor einem internationalen Gericht verantworten.

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