Ukraine-Hilfen:„Wer das unbeantwortet lässt, belügt die Öffentlichkeit“

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„Die zentrale Frage dieses Wahlkampfs ist doch: Wer bezahlt die Zeche?“ Auf dem Flug zum Treffen mit Frankreichs Präsidenten spricht der Kanzler deutliche Worte. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Die Ukraine soll drei Milliarden zusätzliche Hilfen bekommen. Über das „Wie“ aber streiten die Parteien erbittert. Kanzler Scholz wehrt sich nun vehement gegen seine Kritiker.

Von Claus Hulverscheidt, Henrike Roßbach, Berlin

In der Debatte um zusätzliche Hilfen für die Ukraine in Höhe von drei Milliarden Euro verschärft sich der Ton zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und den anderen Parteien. Auf einer Reise nach Paris trat Scholz dem Eindruck entschieden entgegen, er verweigere der Ukraine die Hilfen, obwohl die Bereitstellung der Mittel aus dem Bundeshaushalt problemlos möglich wäre.

„Wir haben eine Haushaltslücke von aktuell 26 Milliarden Euro“, sagte Scholz. „Wenn ich abziehe, dass wir nicht alles ausgeben werden, sagen wir zehn Milliarden, dann fehlen für 2025 immer noch 15 Milliarden Euro.“ Die Frage, wie man das finanziere, müsse schon beantwortet werden, so der Kanzler, und in diese Antwort müssten dann auch die zusätzlichen drei Milliarden Euro einbezogen werden. „Wer das unbeantwortet lässt, belügt die Öffentlichkeit“, so Scholz. „Die zentrale Frage dieses Wahlkampfs ist doch: Wer bezahlt die Zeche?“

Hintergrund von Scholz’ Äußerungen ist der jüngste Streit zwischen SPD, Union, Grünen und FDP, wie zusätzliche drei Milliarden für die Ukraine finanziert werden könnten. Im Prinzip sind alle drei Parteien bereit, die Hilfen zu ermöglichen. Über das Wie aber gehen die Meinungen auseinander. Scholz beharrt darauf, dass dafür die Schuldenbremse ausgesetzt werden müsste – ein Schritt, den die SPD aus verschiedenen Gründen schon seit Monaten fordert. Vertreter der anderen Parteien sehen dagegen auch andere Möglichkeiten.

Überplanmäßige Ausgaben wären unter bestimmten Bedingungen möglich

Aus Kreisen der FDP-Fraktion etwa war zu vernehmen, dass auch eine sogenannte überplanmäßige Ausgabe denkbar wäre – und zwar, ohne dass sofort festgelegt werden müsste, an welcher Stelle des Haushalts die drei Milliarden Euro eingespart werden. Solche Ausgaben könnten im laufenden Haushaltsjahr kompensiert werden, außerdem werden die Haushaltsansätze normalerweise nicht komplett ausgeschöpft.

Entsprechende Stimmen gibt es durchaus auch im Finanzministerium, dessen Führung aber wohl auf Scholz-Linie ist. Rein theoretisch könnte Verteidigungsminister Boris Pistorius bei Finanzminister Jörg Kukies (beide SPD) einfach eine überplanmäßige Ausgabe beantragen. Kukies wäre dann gezwungen zu prüfen, ob dem Gesuch stattgegeben werden kann. Obwohl es derzeit keinen regulären Etat gibt und die strengen Regeln der sogenannten vorläufigen Haushaltsführung gelten, sind laut Grundgesetz überplanmäßige Ausgaben keineswegs ausgeschlossen – allerdings „nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses“. Ob diese Voraussetzung hier erfüllt wäre, ist wohl Auslegungssache.

„Man muss es vor der Wahl sagen, und nicht nach der Wahl überrascht tun.“

Scholz dagegen sagte in Paris: „Dass man vor der Wahl nicht darüber diskutiert, wer was zahlt, empfinde ich als Skandal.“ Es gebe nur drei Möglichkeiten, an die nötigen Finanzmittel zu kommen: Entweder durch Mehreinnahmen aus neuen Krediten, oder durch Steuererhöhungen. Da aber würde selbst eine Anhebung des Spitzensteuersatzes kaum reichen, so Scholz, die Mehrwertsteuer müsste ebenfalls kräftig erhöht werden. „Wer beides ablehnt, muss sagen, was er im Haushalt alles zusammenstreichen will, um solche Summen zu finanzieren“, sagte Scholz. „Und wenn man das will, muss man es vor der Wahl sagen, und nicht nach der Wahl überrascht tun.“

Mit Blick auf die Vorschläge der anderen sagte Scholz: „Einfach zu behaupten, das würde trotz der Finanzlücke schon irgendwie gehen, hat das Niveau von Sprücheklopfern.“ Auch die vorläufige Haushaltsplanung – die derzeit gilt, weil es wegen des Bruchs der Regierung keinen verabschiedeten Haushalt für 2025 gibt – führe nicht dazu, dass die fehlenden 25 Milliarden Euro komplett erwirtschaftet werden könnten. „Und dann noch die drei Milliarden Euro obendrauf, über die gerade diskutiert wird.“

Der Hintergrund von Scholz Überlegungen: Solange die vorläufige Haushaltsführung gilt, können kostspielige neue Projekte nicht umgesetzt werden, was in der Regel dazu führt, dass der Bund weniger Geld ausgibt, als in „normalen“ Haushaltszeiten.

FDP-Chef Lindner, der von Scholz im Streit über den Haushalt entlassen worden war, schrieb auf X: „Olaf Scholz schlägt um sich wie ein Ertrinkender.“ Wenn zum Beispiel die Bundeswehr vier Milliarden Euro weniger ausgegeben habe, seien drei Milliarden Euro „kein Problem“. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) warnte, dass Deutschland eine zu große Verantwortung trage, „als dass wir jetzt in den nächsten Wochen alle in Wahlkampf-Rhetorik verfallen sollten“.

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