Nach deutlichem Widerstand in der SPD-Bundestagsfraktion gegen das Sicherheitspaket der Ampelkoalition hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machtpolitische Maßnahmen angekündigt, um eine Mehrheit für das Paket zu sichern. Er könne notfalls „von seinen Möglichkeiten Gebrauch machen“, sagte er nach Informationen der Süddeutschen Zeitung am Dienstagnachmittag in der Fraktionssitzung.
Als Erstes hatte der Spiegel darüber berichtet. Scholz’ Aussagen wurden unter einigen SPD-Abgeordneten als Drohen mit dem Stellen der Vertrauensfrage im Deutschen Bundestag verstanden, um eine Mehrheit in den eigenen Reihen zu sichern. Und als ein deutlicher Appell beziehungsweise als ein Machtwort zur Fraktionsdisziplin für die anstehende Abstimmung im Bundestag. Auch bei den Grünen gibt es hier kritische Stimmen, während die FDP sich auch weitergehende Maßnahmen vorstellen könnte. Das Paket sieht Verschärfungen zur Begrenzung der irregulären Migration und zur Bekämpfung des Islamismus in Deutschland vor. Es ist das erste Mal, dass Scholz als Kanzler so eine klare Ansage macht.
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Der Kanzler müsse hier Führung zeigen und habe das mit der verklausulierten Drohung auch getan, hieß es von Abgeordneten, die das Paket unterstützen. Es gab viele Wortmeldungen dazu, vor allem vom linken Flügel und jungen Abgeordneten, so meldeten sich nach SZ-Informationen unter anderem Hakan Demir, Axel Echeverria, Annika Klose und Rasha Nasr mit Kritik zu Wort.
Mast: Mehrheit wird Freitag stehen
Die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, betonte am Mittwoch mit Blick auf Scholz: „Ich habe keine Drohung wahrgenommen. Aber ich habe wahrgenommen, dass die Ernsthaftigkeit der Debatte unterstrichen worden ist.“ Der Kanzler habe in der Sitzung „klar, aber respektvoll deutlich gemacht, wie wichtig ihm die Entscheidung ist“. Rund 20 Abgeordnete sollen sich in der Fraktion gegen das Paket positioniert haben – Mast widersprach dem am Mittwoch in einer Journalistenrunde nicht.
Dennoch betonte sie: „Ich habe keine Zweifel, dass die Mehrheit am Freitag steht.“ Dann soll über das Paket im Bundestag abgestimmt werden. Sie habe schon von einigen Kritikern zugesichert bekommen, dass sie am Freitag nicht dagegen stimmen würden, betonte Mast. Denn es gelte die Regel: Wenn ein Mehrheitsbeschluss in der Fraktion herbeigeführt worden ist, dann stimme man auch gemeinsam im Bundestag zu. Wer das aus Gewissensgründen nicht könne, müsse sich 24 Stunden vor Abstimmung persönlich bei ihr im Büro melden, sagte Mast. Bisher habe sich aber kein Abgeordneter, der dagegen stimmen will, bei ihr gemeldet.
Jusos: Nicht von Scholz einschüchtern lassen
Der Chef der SPD-Jugendorganisation, Philipp Türmer, wirft Scholz vor, seine Kritiker unter Druck zu setzen. „Ich hoffe, dass sich niemand, der gegen das Paket stimmen will, davon einschüchtern lässt und kann nur allen sagen: Lasst euch nicht unterkriegen“, sagte er dem Stern. Er sei froh, dass es in der Fraktion Widerstand gegen dieses Paket gebe. „Das Paket geht in die völlig falsche Richtung.“ Es sorge für eine massive Diskursverschiebung nach rechts, „weil der Kampf gegen Islamismus zu einem Kampf gegen Geflüchtete gemacht wird“.
Nach dem islamistischen Messerattentat in Solingen mit drei Toten war großer politischer Handlungsdruck entstanden. So sollen nun Messerverbote und Asylregeln verschärft, ebenso Befugnisse für die Ermittler ausgeweitet werden. Asylbewerber, für die nach den Dublin-Regeln eine Abschiebung in ein anderes EU-Land angeordnet und für die eine Ausreise rechtlich möglich ist, sollen von staatlichen Leistungen weitgehend ausgeschlossen werden. Generell soll die Rückführung abgelehnter Asylbewerber beschleunigt werden. CDU-Chef Friedrich Merz geht das nicht weit genug, er fordert weiter direkte Abweisungen schon an den deutschen Grenzen. Auch angesichts der Wahlerfolge der AfD ist die Bundesregierung von Kanzler Scholz um Verschärfungen bemüht, während die Kritiker vor einem Verlust an Humanität und einer Einschränkung des Rechts auf Asyl warnen.
Tausende SPD-Mitglieder hatten einen Brief gegen das Paket unterzeichnet, darunter auch 45 der 207 Bundestagsabgeordneten. Es wurde schließlich noch entschärft, bevor es nun im Bundestag am Freitag beschlossen werden soll. Auf Initiative von Juso-Chef Philipp Türmer wurde vor der Sitzung auch ein Schreiben an die 207 SPD-Bundestagsabgeordneten verschickt. Dieses liegt der SZ vor.
„Wir fordern die SPD-Bundestagsfraktion auf, das geplante ‚Sicherheitspaket‘ in dieser Form abzulehnen“, heißt es darin. Trotz der Änderungen im Entwurf bleibe es dabei, „dass rassistische und ausgrenzende Narrative gestärkt werden“. Anstatt die Bekämpfung des Islamismus in den Fokus zu stellen, werde Sicherheit „in Verbindung mit der Entrechtung von Schutzsuchenden gebracht“. Vor allem die weiter vorgesehenen Kürzungen von Sozialleistungen unter dem Existenzminimum für bestimmte Schutzsuchende seien weiterhin abzulehnen. „Eine ‚Brot, Bett und Seife‘-Politik ist eine Politik gegen die Menschenwürde“, heißt es in dem Schreiben.