Ruhestand:Scholz fordert, dass die Deutschen später in Rente gehen

Ruhestand: Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens für Maschinenbauteile in schwäbischen Sigmaringen.

Mitarbeiter eines mittelständischen Unternehmens für Maschinenbauteile in schwäbischen Sigmaringen.

(Foto: Andreas Prost/Imago)

Der Bundeskanzler kritisiert, dass viele Beschäftigte nicht bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze arbeiten. Laut einer Studie scheiden viele bereits mit 63 oder 64 Jahren aus. Diese Entwicklung hat allerdings maßgeblich die SPD vorangetrieben.

Von Roland Preuß, Berlin

Angesichts des Mangels an Fachkräften in Deutschland stößt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Debatte über längeres Arbeiten an. "Es gilt, den Anteil derer zu steigern, die wirklich bis zum Renteneintrittsalter arbeiten können. Das fällt vielen heute schwer", sagte der Scholz den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Das Alter, in dem Beschäftigte regulär in Rente gehen können, wird bereits seit 2012 um einen Monat pro Jahr angehoben, vor allem um die Finanzierung der gesetzlichen Rente für die wachsende Zahl an Ruheständlern sicherzustellen. Derzeit liegt die offizielle Altersgrenze bei 65 Jahren und elf Monaten. Das Alter, in dem die Rentenversicherten sich tatsächlich in den Ruhestand verabschieden, liegt im Durchschnitt jedoch deutlich darunter, laut Deutscher Rentenversicherung (DRV) bei 64,1 Jahren. Bezieht man die Menschen mit ein, die wegen Krankheit früher in Rente gehen, sind es sogar nur 62,4 Jahre.

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) hatte am Samstag Zahlen vorgelegt, wonach die Beschäftigten im Schnitt nicht mehr länger arbeiten. In den Jahren zwischen 2000 und 2015 habe die sogenannte Erwerbsbeteiligung der 60- bis 64-Jährigen noch stark zugenommen, erklärte das Institut in Wiesbaden. Die der Männer hat sich laut BIB mehr als verdoppelt, die der Frauen sogar vervierfacht. Hier haben sich den Fachleuten zufolge politische Reformen bemerkbar gemacht, außerdem seien ältere Personen im Durchschnitt gesünder im Vergleich zu früheren Generationen.

Fachkräftemangel gefährdet den Sozialstaat

In den vergangenen fünf Jahren jedoch stagnierte die Entwicklung, die Menschen setzen ihr Berufsleben trotz der steigenden offiziellen Schwelle nicht fort. "Aktuell scheiden viele bereits mit 63 oder 64 Jahren aus dem Arbeitsmarkt aus und damit deutlich vor der Regelaltersgrenze", schreibt das Bundesinstitut.

Diese Entwicklung gewinnt angesichts des Fachkräftemangels nun zusätzliches Gewicht. Denn wenn die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer früher in Rente gehen, stehen Sie den Unternehmen oder Behörden nicht mehr mit ihrer Expertise zur Verfügung und verschärfen damit den Mangel an Arbeitskräften. Sowohl die Bundesregierung als auch Fachleute warnen davor, dass der Fachkräftemangel das Wirtschaftswachstum bremst und damit letztlich auch die Finanzierung von Sozialleistungen infrage stellt. In den kommenden Jahren erreichen mit den sogenannten Babyboomern besonders geburtenstarke Jahrgänge das Rentenalter, das dürfte den Mangel an Arbeitskräften noch deutlich verschärfen.

Was er gegen die Entwicklung zu tun gedenkt, führte Kanzler Scholz nicht aus. Das Ampel-Bündnis will laut seinem Koalitionsvertrag das Streitthema höheres Renteneintrittsalter nicht anfassen, dort hat man vielmehr eine Sicherung des Rentenniveaus vereinbart. Im Gegenteil hatte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) der Süddeutschen Zeitung Ende November gesagt: "Eine generelle Erhöhung des Renteneintrittsalters über 67 hinaus wird es mit mir nicht geben." Denkbar wären zusätzliche Anreize, seltener vorzeitig in Rente zu gehen, mehr Angebote zur Weiterbildung oder eine bessere Gesundheitsvorsorge.

Ohne Abschlag früher in die Rente

Die Stagnation beim längeren Arbeiten geht auch auf eine politische Entscheidung zurück, die einst auf Betreiben der SPD getroffen wurde: die sogenannte Rente mit 63. Das Modell eröffnet seit 2014 die Möglichkeit des frühzeitigen Rentenbezugs ohne Abschläge für Versicherte, die besonders lang gearbeitet haben. Im Jahr 2021 nutzte laut BiB fast jeder Dritte, der erstmals eine Altersrente bezog, diesen Weg. Insgesamt geht laut Rentenversicherung die Hälfte der Senioren vorzeitig und dennoch ohne Abschläge in Rente.

Darüber hinaus zeigen aktuelle Zahlen der Deutschen Rentenversicherung, dass in den vergangenen Jahren mehr Personen vor der Regelaltersgrenze in den Ruhestand gehen und hierfür Abschläge bei der Rentenhöhe in Kauf nehmen. Diese Gruppe machte unter allen neuen Rentnerinnen und Rentnern immerhin etwa ein Viertel aus.

In ihrem Rentenversicherungsbericht hatte sich die Bundesregierung kürzlich noch erfreut gezeigt über die gute Finanzlage bei der Rente. Dort war auch zu lesen: "Es ist davon auszugehen, dass die Erwerbsbeteiligung Älterer auch in Zu­kunft weiter ansteigen wird." Die BiB-Forschungsgruppenleiterin Elke Loichinger warnte nun hingegen, dass im höheren Alter immer häufiger gearbeitet werde, sei "kein Selbstläufer".

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