Krieg in der Ukraine:Scholz erwägt Telefonat mit Putin

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Das letzte Telefonat von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem Kremlchef liegt mittlerweile 22 Monate zurück. (Foto: Heiko Becker/Reuters)

Im kleinen Kreis hat der Bundeskanzler zuletzt laut darüber nachgedacht, wann der Augenblick für ein Gespräch mit dem russischen Präsidenten gekommen sein könnte. Einen konkreten Termin gibt es aber offenbar nicht.

Von Daniel Brössler, Berlin

Es ist ein Anruf, den Olaf Scholz schon lange vor sich herschiebt. Er werde irgendwann wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefonieren, hat der Bundeskanzler immer wieder klargestellt. Was fehlte, war der passende Augenblick und eine zumindest minimale Aussicht, dass in so einem Gespräch auch etwas zu erreichen sein könnte für die Ukraine. Im kleineren Kreis hat Scholz zuletzt laut darüber nachgedacht, dass dieser Augenblick in den nächsten Wochen oder Monaten gekommen sein könnte. Das hat zu tun mit verstärkten diplomatischen Aktivitäten und der Dynamik, die die Präsidentenwahl in den USA – je nach Ausgang – auslösen dürfte. Nach einem Bericht der Zeit über ein bevorstehendes Telefonat wurde am Dienstag im Kanzleramt allerdings versichert, dass es keinen konkreten Plan und Termin gebe.

Das letzte Telefonat des Kanzlers mit dem Kremlchef liegt mittlerweile 22 Monate zurück. Am 2. Dezember 2022 hatte Scholz bei Putin angerufen und dabei nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Hebestreit „insbesondere die russischen Luftangriffe gegen zivile Infrastruktur in der Ukraine verurteilt“. Der Kreml ließ wissen, der Präsident habe den Kanzler auf die „destruktive Politik“ der westlichen Länder hingewiesen, die das „Kiewer Regime mit Waffen vollpumpen“. Eine Annäherung gab es nicht. Die Hoffnung des Kanzlers, Putin könnte die Aussichtslosigkeit seines Angriffskrieges erkennen, bestätigte sich nicht. In weiteren Telefonaten sah Scholz zunächst keinen Sinn – zumal Putin die Gespräche stets für sehr ausführliche Belehrungen und historische Betrachtungen nutzt.

Am 12. Oktober trifft sich die Ukraine-Unterstützergruppe in Ramstein

Konkrete Planungen für einen Anruf in Moskau gab es dann wieder im August 2023, kurz vor dem mysteriösen Flugzeugabsturz, bei dem der Chef der Söldnertruppe Wagner, Jewgenij Prigoschin, ums Leben kam. Prigoschin hatte zuvor mit einer Meuterei die Autorität Putins herausgefordert. Im Kanzleramt wurde der Anruf danach immer wieder vertagt; auch weil es keinerlei Anzeichen für eine Verhandlungsbereitschaft Putins gab. Solche Anzeichen sind auch derzeit kaum zu erkennen, dennoch könnte es Ansatzpunkte für ein Gespräch geben. Am 12. Oktober trifft sich auf dem US-Stützpunkt Ramstein die Ukraine-Unterstützergruppe mit US-Präsident Joe Biden, Bundeskanzler Scholz und Wolodimir Selenskij.

Der ukrainische Präsident hatte in der vergangenen Woche in den USA seinen „Siegesplan“ präsentiert, der vorsieht, aus einer möglichst gestärkten militärischen Position in Verhandlungen mit Russland einzutreten. Diese Position müsste aber erst noch erarbeitet werden. Den ukrainischen Truppen war es in den vergangenen Monaten zwar gelungen, russisches Gebiet im Raum Kursk zu erobern, im Donbass gerieten sie allerdings immer stärker unter Druck. Weil Russland die Energie-Infrastruktur zerstört hat, steht das Land zudem vor einem voraussichtlich extrem harten Winter. „Alles, was in diesem Herbst getan werden kann, alles, was wir erreichen können, müssen wir auch erreichen“, sagte Selenskij in seiner jüngsten abendlichen Videoansprache. Es gelte, den Druck auf Russland maximal zu erhöhen, um die Beendigung des Krieges zu erzwingen. 

Scholz hat Telefonate mit Putin auch immer damit begründet, dass sie die seltene Gelegenheit böten, den Kremlchef mit der Wirklichkeit zu konfrontieren. Putin wiederum dürfte sich dafür interessieren, wie es um die Durchhaltefähigkeit der westlichen Unterstützer der Ukraine bestellt ist.

„Wir sind, wie jeder in der Ukraine weiß, der größte europäische Unterstützer der Ukraine. Das werden wir auch bleiben, und wir sind auch sehr verlässlich in dem, was wir an Unterstützung zur Verfügung stellen“, hatte Scholz vergangene Woche vor einem Gespräch mit Selenskij in New York gesagt, er hatte aber auch sein Nein zur Lieferung von Marschflugkörpern des Typs Taurus bekräftigt. Der aus Sicht von Putin nun wohl wichtigste Termin ist der 5. November. Sollte dann Donald Trump zum Präsidenten gewählt werden, wird Putin darauf setzen, dass die USA die Ukraine im Stich lassen. Anrufe aus Berlin dürften daran wenig ändern.

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