Olaf Scholz im Osten:Krisengespräch nach dem „Supergau“

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Es sei ein "sehr, sehr gutes Gespräch" gewesen, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (re.) über das Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz.
Es sei ein "sehr, sehr gutes Gespräch" gewesen, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (re.) über das Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

In Sachsen-Anhalt trifft der Bundeskanzler die ostdeutschen Ministerpräsidenten. Es geht um die Ergebnisse der Europawahl, den Krieg in der Ukraine, und vor allem die Frage: Wie lässt sich der Aufstieg der radikalen Rechten stoppen?

Von Daniel Brössler, Wittenberg

Zumindest die Tagesordnung lässt nichts Schlimmes erahnen. Ganz oben steht die „Sicherstellung der flächendeckenden medizinischen Versorgung“. Auch um die Folgen der demografischen Entwicklung soll es gehen und um Fragen der Energiepolitik. Hätte der Gastgeber, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), nicht noch am Morgen von einem „Supergau“ gesprochen, könnte man meinen, das Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit einer Ministerpräsidentin und vier Ministerpräsidenten aus dem Osten wäre Routine.

Davon kann nur eben keine Rede sein nach der Europawahl, bei der die Alternative für Deutschland (AfD) in Ostdeutschland den ersten Platz erobert hat. In Thüringen kam sie auf 30,7 Prozent, das BSW, die Neugründung von Sahra Wagenknecht, aus dem Stand auf 15 Prozent. Die SPD von Kanzler Scholz erreichte nur 8,2 Prozent. Das ist es, was Haseloff einen „Supergau“ nennt, und was in der Wittenberger Leucorea, dem historischen Universitätsgebäude, schließlich zu einer „Generaldebatte“ der ostdeutschen Länderchefs mit Scholz führt.

„Eine Demokratie kann und muss liefern“, sagt Haseloff

Es sei, sagt Haseloff, im Anschluss ein „sehr, sehr gutes Gespräch“ gewesen, in dem man in vielen Punkten übereingestimmt habe. Nun gehe es um „schnelle, deutliche Signale“. Es gelte: „Eine Demokratie kann und muss liefern.“ Schon vor dessen Ankunft in der Lutherstadt hatte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD) an ihren Parteifreund appelliert: „Der Kanzler sollte das Zeichen setzen, dass ihm der Osten wichtig ist.“ Und Bodo Ramelow, linker Ministerpräsident aus Thüringen, warnte davor, „dass die Einheit emotional krachen geht“.

Die Debatte wird dann, so ist zu hören, in ernstem, aber sachlichem Ton geführt. Das Gespräch sei „sehr konstruktiv“ gewesen, lobt der Kanzler im Anschluss. „Wir leben in Zeiten, in denen sich viel Unsicherheit verbreitet“, sagt er. Das habe etwas mit dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, aber auch Kriegen anderswo zu tun. Natürlich machten sich die Leute Sorgen darüber, „alles andere wäre verwunderlich“. Er werde an der Unterstützung der Ukraine festhalten, aber auch an seinem Kurs der „Besonnenheit“, betont er.

Haseloff hebt hervor, dass es vor allem das Migrationsthema und die Angst um die eigene Sicherheit seien, die die Menschen nach Messerangriffen wie vor wenigen Tagen im sachsen-anhaltischen Wolmirstedt umtreibe. Da gehe es um „existenzielle Dinge“. Die Sorgen der Bürger „um Leib und Leben“ müssten ernst genommen werden. Wenn man die Wahlergebnisse der Europawahl zugrunde lege, „dann sind wir alle weg“. In Thüringen verfügten der jüngsten Umfrage zufolge zwei „extreme Parteien“, AfD und BSW, bereits über die Mehrheit. In Thüringen und Sachsen werden am 1. September neue Landtage gewählt, in Brandenburg am 22. September. In allen drei Ländern ist ungewiss, ob Mehrheiten ohne zumindest das BSW gebildet werden können.

„Das wirkt ja“, sagt der Kanzler über seine Migrationspolitik

Im Kampf gegen die irreguläre Migration habe man schon „sehr weitreichende Beschlüsse getroffen, die jetzt alle Stück für Stück ihre Wirksamkeit entfalten“, sagt Scholz dazu. Es handele sich um die größten Veränderungen in diesem Bereich „seit 20 Jahren“. Das werde sich nun auch auswirken. Die Zahlen gingen bereits zurück. „Wir werden alles dafür tun, dass dieser Trend sich fortsetzt“, betonte er. So zeigten Grenzkontrollen Wirkung. Das werde auch für das gemeinsame europäische Asylsystem gelten.

Was denn noch vor den Landtagswahlen getan werden könne, um das Blatt noch zu wenden, wird Scholz gefragt. Man solle beispielsweise auf Erfolge in prosperierenden Wirtschaftsbereichen hinweisen, empfiehlt Scholz. „Und ansonsten fest darauf bestehen, dass hier Politik gemacht wird, die vernünftig ist für die gute Zukunft unseres Landes und dass man richtigerweise vor Problemen, vor Fragen niemals davonläuft.“ In der Migrationspolitik seien die Grundlagen gelegt. Bald könnten die Menschen sehen: „Das wirkt ja.“

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