Finanzaffäre:Olaf Scholz ist ein Kandidat mit Rucksack

AUSTRIA - GERMANY - POLITIC ÖSTERREICH; WIEN; 20200824; Deutscher Finanzminister Olaf Scholz (Bild) spricht während eine

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD)

(Foto: imago images/Alex Halada)

Erinnerungslücken, wirklich? Der SPD-Mann leistet keine überzeugende Aufklärung in den Finanzaffären, die in seine Zuständigkeit fallen. Das könnte ihn im Wahlkampf teuer zu stehen kommen.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Es gibt eine Person, die genau weiß, ob und wie weit Olaf Scholz in den Steuerbetrugsskandal Cum-Ex eingegriffen hat, damals, als er noch Erster Bürgermeister von Hamburg war. Das ist Olaf Scholz selbst. Aber statt alle Vorgänge transparent zu machen, die damals dazu führten, dass Hamburg auf eine Steuerforderung in Höhe von 47 Millionen Euro gegenüber der Privatbank MM Warburg verzichtete, hat Scholz Erinnerungslücken. Wirklich?

Die SPD hat Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten ausgerufen, weil er über Eigenschaften verfügt, die es braucht, um eine Partei im Wahlkampf zu führen. Beliebtheit, Erfahrung und Stehvermögen sind drei davon. Bekannt ist Olaf Scholz allerdings auch als Mikrokontrolleur. Selbst kleine Vorgänge zieht er an sich, durchdenkt sie, schläft darüber, denkt wieder nach. Das führt zuweilen dazu, dass sich eine Sache erledigt, bevor Scholz sie entscheidet. Der Hang zum Mikromanagement lässt freilich seine Erinnerungslücken in der Causa Warburg wenig glaubwürdig erscheinen. Umso mehr, weil Scholz sein Hamburg sehr am Herzen liegt. So jemand weiß, wieso die Hansestadt auf 47 Millionen Euro verzichtet hat.

Für den SPD-Kanzlerkandidaten sind die neuen Vorwürfe ein erhebliches Problem. Sie verstärken den Eindruck, dass Scholz immer wieder von alten Finanzskandalen eingeholt wird - oder in neue gerät. Cum-Ex in Hamburg ist nicht ausgestanden. Hinzugekommen ist der Bilanzbetrug des Dax-Konzerns Wirecard, bei dem Tausende Anleger ihr Geld verloren. Man kann darauf verweisen, dass Scholz eben Ämter bekleidet, in denen er mit Finanzpolitik zu tun hat, weshalb er folglich in Finanzaffären gerät und nicht etwa in Lebensmittelskandale. Und, ja, er hat den Betrugsskandal um den inzwischen insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard von seinem Vorgänger Wolfgang Schäuble geerbt. Stimmt alles. Dass die Skandale trotzdem wie Pech an Scholz kleben, liegt an seinem Umgang mit ihnen.

Olaf Scholz lässt andere Menschen spüren, dass er glaubt, es besser zu wissen. Und zu können. Im Zuständigkeitsbereich seines Ministeriums sei getan worden, was getan werden musste, hat er gleich zu Anfang gesagt, als das Kopfschütteln darüber begann, dass bandenmäßig organisierter Betrug über Jahre den Aufsichtsbehörden nicht aufgefallen ist. Die Opposition hat das wenig beeindruckt. Sie hat ihm einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss in den Terminkalender gedrückt. Geht der Kandidat auf Wahlkampftour, wird er ihn wie einen Rucksack mitschleppen müssen.

Olaf Scholz weiß seit dieser Woche, dass er sich seiner Sache nie zu sicher sein sollte. Es wurde bekannt, dass der Bundesfinanzminister doch nicht alles getan hat, was zu tun war. Er hat nicht verboten, dass Mitarbeiter, die bei der deutschen Finanzaufsicht Bafin für die Marktaufsicht zuständig sind, mit der Wirecard-Aktie handeln. Sie taten es trotz des eindeutigen Interessenkonflikts. Er hat nicht veranlasst, dass im eigenen Ministerium registriert wird, ob fachlich involvierte Mitarbeiter mit den Aktien handeln. Als der Ärger da war, hat Scholz wie üblich nach vorne geschaut und striktere Regeln angekündigt. Doch das reicht nicht. Wenn Scholz nicht auch rückblickend aufräumt, wird ihm der Blick nach vorn bald mit alten Vorwürfen verstellt sein.

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