Energieversorgung:Scholz: Die Erneuerbaren sind's

Beim Tag der Industrie bleibt der Kanzler ungerührt von der Debatte über AKW-Laufzeitverlängerungen. CDU-Chef Merz dagegen fordert, die drei noch verbliebenen Kernkraftwerke länger laufen zu lassen - und ist damit nicht gänzlich alleine.

Von Kassian Stroh

Trotz der rasant gestiegenen Kosten für Energie als Folge des Krieges in der Ukraine setzt Bundeskanzler Olaf Scholz weiter zuallererst auf den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland. Man müsse "alle Hebel in Bewegung setzen, um die Strompreise zu senken", sagte der SPD-Politiker beim "Tag der Industrie" genannten Spitzentreffen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Die erneuerbaren Energien seien die günstigsten. "Diesen Weg müssen wir weitergehen."

Mit keinem Wort erwähnte er dabei Gedankenspiele aus anderen Parteien, als Konsequenz aus den Belastungen für Unternehmen und Privathaushalte die Laufzeiten der verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland für eine begrenzte Zeit zu verlängern. Diese Forderung wird lauter und wurde zuletzt auch von Teilen der FDP erhoben, die mit Scholz in der Ampelkoalition zusammenarbeitet. Er fordere eine "offene, unideologische Debatte" darüber, die Kernkraft übergangsweise weiter zu nutzen, sagte FDP-Chef Christian Lindner beim Tag der Industrie. Denn vor Deutschland lägen drei bis fünf Jahre mit Engpässen und Energieknappheit.

Noch sind in Deutschland drei Atomkraftwerke in Betrieb, sie sollen Ende des Jahres vom Netz gehen. Scholz lehnt eine Verlängerung der Laufzeiten bislang ab, begründet sein Nein aber vor allem mit technischen Schwierigkeiten. Nach einem Treffen mit der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern sagte er am Dienstag: Die Brennstäbe reichten bis Ende 2022 und bislang gebe es von Expertenseite keine Aussagen dazu, wie die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängert werden könnte. In einem Interview mit dem Münchner Merkur hatte er zuvor argumentiert, "wenn es problemlos möglich wäre, die Laufzeit um ein oder zwei Jahre zu verlängern, würde sich jetzt wohl kaum jemand dagegenstellen". Das sei aber nicht möglich, wie Fachleute sagten, da es mindestens zwölf bis 18 Monate dauern würde, die dafür nötigen Brennstäbe zu kaufen. Deshalb helfe die Atomkraft in der akuten Situation nicht weiter.

Rasch mehr Strom brächte eine Verlängerung nur, wenn man bei den drei Meilern auf die eigentlich überfälligen Sicherheitschecks verzichte, ergänzte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) - wenn man also mehr Risiko in Kauf nehme. "Das scheint mir kein politisch kluger Entschluss zu sein." Auch die Betreiber der Anlagen sprechen von hohen Hürden für einen weiteren Betrieb.

CDU und CSU sehen das anders. Mit Blick auf die Energieversorgung, die die Industrie und die Haushalte vor große Probleme stelle, forderte Friedrich Merz beim BDI, alle Ressourcen, die zur Verfügung stünden, zu berücksichtigen. Die drei noch verbliebenen Meiler länger laufen zu lassen, sei "sowohl technisch möglich, als auch juristisch vertretbar", sagte der Vorsitzende der CDU und der Unionsbundestagsfraktion. Auch CSU-Chef Markus Söder hatte bereits am Montag unter Berufung auf ein neues Gutachten gesagt, dass "das alles möglich und fortsetzbar ist".

BDI-Präsident Siegfried Russwurm hingegen sprach nicht von einer längeren Laufzeit, begrüßte aber den Plan der Bundesregierung, kurzfristig mehr Strom aus der Kohleverbrennung zu gewinnen, um Erdgas zu sparen. Zudem müssten die erneuerbaren Energien und Stromtrassen "viel schneller" ausgebaut werden - ebenso wie die Infrastruktur für Flüssigerdgas.

Habeck warnte erneut vor den schweren wirtschaftlichen Folgen eines Erdgas-Lieferstopps - sie könnten schlimmer sein als die der Corona-Pandemie. Dass Russland die Lieferungen zuletzt deutlich gedrosselt hat, sei ein "Angriff auf uns", um "Not und Angst" zu schüren, sagte Habeck. Diese Strategie dürfe nicht erfolgreich sein.

Scholz argumentierte beim BDI erneut, dass Strom und Wärme aus erneuerbaren Quellen auch "mehr Energiesicherheit und mehr Energiesouveränität" für Deutschland mit sich brächten - und damit "langfristig" auch niedrigere Preise. Die hohen Strompreise dürften kein Bremsklotz sein beim Ausstieg aus den fossilen Energieträgern. Da die Industrie von den steigenden Preisen besonders stark getroffen sei, appellierte Scholz indirekt an die Gewerkschaften, keine zu hohen Lohnforderungen zu erheben.

Die aktuellen externen Schocks dürften nicht zu einer dauerhaften Preissteigerung führen, sagte Scholz beim Tag der Industrie. Deshalb habe er, wie einst die Bundesregierung in den 1960er- und 1970er-Jahren, eine "konzertierte Aktion" mit Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden ins Leben gerufen. An diesen "gesellschaftlichen Tisch der Vernunft", wie ihn der damalige Wirtschaftsminister Karl Schiller (SPD) genannt habe, "werden wir uns jetzt auch wieder setzen".

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