Bundestag:"Die Ukraine gehört zur Europäischen Union"

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Der Kanzler gibt eine Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel ab. Neben dem Krieg spricht er auch über Migration, Wettbewerbsfähigkeit und die Auswirkungen des schweren Erdbebens.

Von Oliver Klasen, Berlin, und Philipp Saul

Die 27 Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union treffen sich in dieser Woche zum EU-Gipfel in Brüssel. Auf ihrer Agenda stehen die Themen Migration, Wettbewerbsfähigkeit und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. An den Sitzungen am Donnerstag und Freitag wird voraussichtlich auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij teilnehmen. Die verheerenden Auswirkungen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien dürften ebenfalls Thema werden.

Mit dabei sein wird in Brüssel auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In einer Regierungserklärung im Bundestag blickt er auf den EU-Gipfel voraus.

Scholz sagt Erdbebenopfern unverzügliche Hilfe zu

Die Sitzung im Bundestag beginnt mit einem Moment des Gedenkens an die Opfer und die Hinterbliebenen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien. In den beiden Ländern kamen nach vorläufigem Stand mehr als 10 000 Menschen ums Leben, mehr als 40 000 wurden verletzt.

Bundeskanzler Scholz spricht zunächst über die Katastrophe. Die Bundesregierung habe den türkischen Behörden "unverzüglich Hilfe zugesagt", berichtet Scholz. Man stehe zudem in engem Kontakt mit den Vereinten Nationen, um humanitäre Hilfe auch in das syrische Erdbebengebiet zu bringen, denn auch dort ist die Not groß. Ein grenzüberschreitender Zugang sei "lebenswichtig".

Scholz geht auch auf verbindende Aspekte der Katastrophe ein: Die "Welle des Mitgefühls und der Hilfsbereitschaft" in Deutschland zeige, "wie nah wir uns unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit türkischen oder syrischen Wurzeln fühlen, die in diesen Stunden vielleicht um Familienangehörige oder Freunde in den betroffenen Gebieten bangen".

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Neue Sanktionen gegen Russland sollen kommen

Was Russlands Krieg in der Ukraine betrifft, betont der Kanzler in seiner Regierungserklärung erneut seine Haltung, trotz Kritik auch aus den eigenen Reihen, alle Schritte überlegt und stets in enger Abstimmung mit der US-Regierung zu gehen. "Der Zusammenhalt innerhalb unserer Bündnisse und Allianzen ist unser höchstes Gut. Diesen Zusammenhalt wahren und stärken wir, indem wir Entscheidungen zunächst vertraulich vorbereiten - und dann erst kommunizieren", sagt Scholz und verweist auf die Entscheidung zur Lieferung von Leopard-Panzern. Scholz wendet sich in seiner Rede gegen einen "öffentlichen Überbietungswettbewerb" in der Debatte um weitere Waffenlieferungen.

Die Sanktionen gegen Russland werde die EU "zum Jahrestag des Kriegsbeginns noch einmal verschärfen", kündigt der Kanzler an. Dies sei "ein klares Signal an Putin". Der Kanzler betont außerdem, dass die EU zu ihrem "Versprechen" stehe, der Ukraine eine Beitrittsperspektive zur eröffnen. "Die Ukraine gehört zu Europa, ihre Zukunft liegt in der Europäischen Union", sagt Scholz.

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Scholz: Deutschland braucht Fachkräfte von außerhalb Europas

Die europäische Migrationspolitik berge "Spaltpotenzial", sagt der Kanzler angesichts steigender Asylbewerberzahlen, gibt sich aber optimistisch: "Nach Jahren des Stillstands ist Fortschritt möglich in der europäischen Asylpolitik." Dafür sei eine wirksamere Kontrolle der EU-Außengrenzen wichtig. Scholz spricht etwa "bessere, gemeinsame Grenzpatrouillen" mit den Nachbarstaaten außerhalb der Europäischen Union an. Auch die Mitgliedstaaten an der Außengrenze bräuchten "stärkere Unterstützung". Deren Verantwortung für Kontrolle und Registrierung von Asylsuchenden solle "mit der Solidarität der anderen" verknüpft werden.

Scholz betont, dass immer mehr europäische Länder auf die Zuwanderung von Arbeitskräften angewiesen seien, "gesteuert, human und in Einklang mit geltendem Recht". Auch für Deutschland gelte: "Wir brauchen Fachkräfte in großer Zahl." Das Land benötige qualifizierte Frauen und Männer auch von außerhalb Europas.

Wer allerdings kein Bleiberecht erhalte, "der muss Deutschland auch wieder verlassen", kündigt der Kanzler an. Man werde legale Migrationsmöglichkeiten mit der Erwartung gegenüber den Herkunftsländern verknüpfen, "ihre Staatsangehörigen zurückzunehmen, wenn diese hier kein Bleiberecht haben". Auf EU-Ebene wolle man "Migrationspartnerschaften" mit anderen Ländern voranbringen. "So bringen wir Ordnung in das System", sagt Scholz, "so setzen wir die richtigen Anreize."

In der Wirtschaftspolitik gibt sich Scholz optimistisch

Was die Wettbewerbsfähigkeit der EU betrifft, kündigt Scholz weitere Verhandlungen mit der US-Regierung über den Inflation Reduction Act an, ein Gesetz, das Subventionen für klimafreundliche Investitionen daran knüpft, dass diese von US-Firmen erbracht werden. Die EU befürchtet, dass europäische Unternehmen dadurch Nachteile auf dem US-Markt erleiden.

Es sei "begrüßenswert", so Scholz, dass "die USA den Wandel hin zur Klimaneutralität jetzt endlich ähnlich entschlossen angehen wie wir". Aber im Vergleich brauche Europa "sich nicht zu verstecken". Wo es noch Lücken in der Förderung von Technologien gebe, werde die EU diese schließen und zwar "gezielt in jenen Sektoren, die wir für die klimaneutrale Transformation brauchen", so der Kanzler.

Scholz ist bemüht, in seiner Regierungserklärung Optimismus zu verbreiten, was die wirtschaftliche Situation der EU angeht. Sämtliche "Negativ-Szenarien" seien nicht eingetreten, weder "eine tiefe Rezession, die Deindustrialisierung Europas oder die Abwanderung von Zukunftstechnologien".

Merz reagiert mit Kritik

Nach Scholz' Rede antwortet Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Er bietet der Bundesregierung Unterstützung bei der Hilfe für die Erdbebenoper an, attackiert sie dann aber scharf beim Thema Ukraine: Die vom Kanzler kurz nach Beginn des Krieges ausgerufene Zeitenwende "findet in Deutschland weitgehend auf dem Papier statt", sagt Merz. So habe die Bundesregierung aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen für die Bundeswehr noch "praktisch keine Bestellung" für Rüstungsgüter aufgegeben. Deutschland habe bis zum Schluss "gebremst und gezögert" bei den Waffenlieferungen für die Ukraine. Und großen Schaden habe auch der unbedachte Satz von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) angerichtet, die auf einer Europarats-Sitzung gesagt hatte, man befinde sich in einem Krieg mit Russland.

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