Süddeutsche Zeitung

Außenpolitik:Marine-Chef nach Eklat zurückgetreten

Der Vizeadmiral hatte mit Äußerungen zur Russland-Ukraine-Krise die deutsche Politik infrage gestellt.

Von Daniel Brössler, Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Berlin

Der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, hat einen diplomatischen Eklat verursacht und ist in der Folge am Samstagabend von seinem Amt zurückgetreten. Das ukrainische Außenministerium in Kiew zitierte die deutsche Botschafterin zum Gespräch, nachdem der höchstrangige Offizier der Teilstreitkraft bei einem Besuch in Indien mit Äußerungen über die von Russland annektierte Krim und den russischen Präsidenten Wladimir Putin Empörung ausgelöst hatte.

Schönbach sagte bei einer Veranstaltung in Delhi auf Englisch, die Krim-Halbinsel "ist weg, sie wird nie zurückkommen, das ist eine Tatsache". Mit Blick auf Putin mutmaßte Schönbach, was dieser wirklich wolle, sei "Respekt". Jemandem Respekt zu zollen, koste wenig oder nichts. "Es ist leicht, ihm den Respekt zu geben, den er wirklich verlangt und wahrscheinlich auch verdient", sagte Schönbach, wie eine Videoaufnahme zeigt. Schönbach war als Gast bei einer indischen Denkfabrik. Die Marine ist derzeit mit der Fregatte Bayern auf Indopazifik-Fahrt.

Das Außenministerium in Kiew kritisierte die Äußerungen als "unannehmbar"; Schönbach hatte auch in Abrede gestellt, dass die Ukraine die Kriterien für einen Nato-Beitritt erfüllen könne. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch Russland ist international nicht anerkannt. Mit seinen Aussagen stellte sich Schönbach gegen die Bundesregierung. Das Verteidigungsministerium distanzierte sich von den Äußerungen, die Schönbach selbst als schweren Fehler bezeichnete. Ministerin Christine Lambrecht (SPD) entband den 56-Jährigen auf dessen Gesuch hin von seinen Aufgaben und Pflichten. Er soll in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte, Deutschland müsse aufhören, die Einheit des Westens zu untergraben und Putin zu neuen Angriffen auf sein Land zu ermutigen. "Tief enttäuscht" zeigte er sich über die Weigerung der Bundesregierung, seinem Land Waffen zu liefern. Konkret geht es um die Frage, ob Estland Haubitzen an die Ukraine weitergeben darf, die von Deutschland aus Beständen der Nationalen Volksarmee zunächst an Finnland geliefert worden waren und von dort weiter an den baltischen Staat. Sowohl Finnland als auch die Bundesregierung müssen zustimmen. Die Regierungen befinden sich darüber noch in der Abstimmung; es ist nicht zu erwarten, dass Berlin sein Placet gibt. Artilleriegeschütze gelten anders als etwa Luftabwehrraketen auch nicht als defensive Waffensysteme.

Bundeskanzler Olaf Scholz wies Kritik an der Positionierung der Bundesregierung und der SPD gegenüber Russland zurück: "Ich habe klare Worte formuliert - sie gelten", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Die Regierung habe mit den Europäern und mit den USA vereinbart, "dass es hohe Kosten haben würde für Russland, wenn es eine militärische Aggression gegen die Ukraine gibt". Zu Forderungen Russlands, einen Nato-Beitritt der Ukraine auszuschließen, sagte Scholz: "Diese Garantie kann es nicht geben." Die Aufnahme weiterer Länder aus Osteuropa stehe aber "aktuell überhaupt nicht auf der Tagesordnung".

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