Schnelles Urteil nach Skiunfall:Die Althaus-Tragödie

Mit dem Urteil ist Dieter Althaus' Schonfrist beendet. Wie auch immer seine Genesung tatsächlich verläuft: Er darf keine Blöße nach außen zeigen.

Christiane Kohl

Der Prozess war kurz, doch das Drama des Dieter Althaus ist noch lange nicht beendet. Und es stellt sich immer dringlicher die Frage, wer eigentlich die Regie führt in diesem seltsamen Stück.

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Der Ort des Unglücks: An dieser Stelle stieß Althaus mit der Skifahrerin Beata C. zusammen.

(Foto: Foto: AP)

Auf höchst unglückliche Weise haben sich im Fall des Thüringer Ministerpräsidenten juristische, persönliche, politische und moralische Fragen zu einem schwer entwirrbaren Knäuel verknüpft. Seit jenem Skiunfall am Neujahrstag wird eine öffentliche Vorstellung geboten, die immer neuen Stoff für Spekulationen bietet.

Doch letztlich geht es um eine der Grundfragen, die sich jeder Mensch irgendwann stellen muss, wenn etwas Furchtbares passiert ist: Was kann oder will er vor sich und der Außenwelt verantworten und was nicht?

Es ist ein Mensch gestorben und Dieter Althaus wurde schuldig gesprochen, diesen Tod fahrlässig verursacht zu haben. Nur er selbst kann ermessen, was das für ihn und seinen weiteren Lebensweg bedeutet.

Als Mensch und Politiker wird er diese Frage beantworten müssen, für jedermann hör- und sehbar. Keineswegs in Form einer jener schriftlichen Erklärungen, die neuerdings von ihm kursieren, und von denen man im Grunde gar nicht weiß, wer sie eigentlich geschrieben hat.

Sind es Formulierungen aus der thüringischen Staatskanzlei, stammen die Worte tatsächlich aus der Feder von Dieter Althaus, oder hat ihm seine Frau gewissermaßen die Hand geführt?

Ist Althaus Herr seiner selbst?

Dem Kabinettstück, das sich zurzeit in Thüringen abspielt, fehlt es nicht an Tragik: Da sitzt der schwer kranke Dieter Althaus nach einem Schädel-Hirn-Trauma in einer Reha-Klinik am Bodensee - ein öffentlicher und doch völlig unsichtbarer Patient.

Er hat die physischen und psychischen Folgen eines furchtbaren Unfalls zu verkraften und ist zugleich CDU-Spitzenkandidat in einem Wahlkampf, der praktisch schon begonnen hat.

Doch dank der Geheimniskrämerei um ihn ist völlig unklar, in welchem Zustand sich Dieter Althaus eigentlich zurzeit befindet: Ist dieser Mann Herr seiner selbst oder handeln andere in seinem Namen?

Die Althaus-Tragödie

Der Ablauf der letzten Tage ist bemerkenswert: Gerade mal 24 Stunden nach dem Strafantrag der Staatsanwaltschaft ist schon der Prozess gelaufen. Dieter Althaus ist erklärtermaßen bis heute nicht einmal vernehmungsfähig, trotzdem war es möglich, ein Urteil über ihn zu fällen.

Selbst für österreichische Verhältnisse, wo solch schnelle Prozesse offenbar im Ausnahmefall möglich sind, dürfte das rekordverdächtig sein - Prominentenrecht, gewissermaßen.

Doch was nützt es Dieter Althaus?

Es wäre politisch kleinkariert, nun darüber zu streiten, ob das Urteil wegen fahrlässiger Tötung ein eher schwacher oder gar ein schwerwiegender Makel für seinen künftigen Lebensweg ist: Immerhin ging es um einen Sportunfall und nicht um ein Kapitalverbrechen.

Mit der Geldstrafe von 180 Tagessätzen fiel der Richterspruch auch gerade noch milde genug aus, um dem Christdemokraten rein formalrechtlich eine Rückkehr ins politische Spitzenamt zu ermöglichen. Und so ist für die Thüringer Christdemokraten zunächst einmal eine Ungewissheit beseitigt.

Eben dieses politische Kalkül war es denn wohl auch, das hinter der schnellen Prozesstaktik stand: "Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende", mag sich mancher CDU-Spitzenpolitiker gedacht haben.

Mit dem Urteil ist jedoch zugleich die Schonfrist für Dieter Althaus beendet. Wie auch immer sein tatsächlicher Genesungsprozess noch verläuft, nach außen hin darf der Politiker jetzt keinerlei Blößen mehr zeigen.

Streit hinter den Kulissen

Und es geht ja auch demnächst Schlag auf Schlag in Thüringen: Da ist zunächst das Landesvertretertreffen der CDU Mitte März, auf welchem die Kandidatenliste verabschiedet wird - selbstverständlich mit Althaus an der Spitze.

Anfang Mai folgt der CDU-Programmparteitag und irgendwann beginnt der Straßenwahlkampf. Lange wird es sich nicht mehr durchhalten lassen, das Publikum mit schriftlichen Erklärungen eines unsichtbaren Spitzenkandidaten abzuspeisen. Das Parteivolk will ihn irgendwann selber sehen - und am besten pumperlgesund.

Dann aber kommt die Stunde der Wahrheit und man wird sehen, wie es wirklich um Dieter Althaus steht. Wie eine Monstranz tragen CDU-Spitzenpolitiker seit Wochen seinen Namen vor sich her, Überlegungen, zumindest für den Notfall einen Alternativkandidaten zu diskutieren, werden kategorisch abgelehnt.

Doch dies geschieht nicht ohne Eigennutz und auch nicht aus Fürsorge um den kranken Kandidaten. Es steht die Angst dahinter, dass es womöglich zu parteiinternen Auseinandersetzungen kommen könnte. Denn hinter den Kulissen schwelt längst ein Streit um die Frage, wen man auf den Schild heben sollte, wenn Althaus womöglich nicht rechtzeitig zurückzukehren kann.

Unterdessen sitzt der unsichtbare Patient am Bodensee. Die Ärzte bescheinigen ihm, dass er noch keine komplette Zeitung lesen kann und die Fernsehnachrichten nur als unbeteiligter Zuschauer sieht. Wahlkampfreden werde er auch nur allenfalls zwei am Tag halten können.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Althaus eher das Opfer des Stückes ist.

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