Schmutziger US-Wahlkampf:"XXX zahlt für Sex"

Demokraten und Republikaner verunglimpfen vor den Kongresswahlen ihre Gegner in Wahlspots. In einer Art und Weise, die wir hier nicht einmal denken können.

Reymer Klüver

Skandal im Mittleren Westen! Der demokratische Kongressabgeordnete Ron Kind aus Wisconsin "zahlt für Sex". So jedenfalls behauptet es ein Wahlspot seines republikanischen Herausforderers, in dem Kind mit "XXX" übers Gesicht gestempelt gezeigt wird - als Kürzel für pornographische Inhalte.

Tatsächlich hat der Kongressabgeordnete Kind sich nur gegen Streichungen von Mitteln zur Sexualforschung am Nationalen Gesundheitsamt gewehrt. Sein Herausforderer findet den Spot dennoch in Ordnung. Das sei alles "nicht persönlich gemeint".

Amerikanische Tradition

Negative Wahlwerbung, in der politische Gegner schlechtgemacht werden, hat Tradition in den USA. Doch so schräg wie in diesem Jahr dürfte sie selten gewesen sein. Vor allem angebliche sexuelle Verwirrungen der gegnerischen Kandidaten ziehen.

So löste ein Spot ebenfalls der Republikaner heftige Reaktionen aus, in dem eine Blondine mit entblößten Schultern behauptet, den Senatskandidaten der Demokraten in Tennessee, Harold Ford, bei einer Party des Männer-Magazins Playboy getroffen zu haben.

"Harold, ruf mich an", haucht sie in die Kamera. Ford hatte wirklich im vergangenen Jahr ein Playboy-Fest besucht - mit 3000 anderen Gästen. Ford ist Schwarzer, und Bürgerrechtsorganisationen beklagten, dass der Spot rassistische Vorurteile bediene. Die Republikaner zogen ihn zurück - und schalteten einen neuen. Darin behaupten sie, dass Ford die Abtreibungspille an Schulkinder verteilen lassen wolle.

Für die Wahlwerbung ist nichts zu abstrus. Dem demokratischen Herausforderer im Senatswahlkampf von Virginia, Jim Webb, werden Zitate aus seinen jahrealten Romanen um die Ohren gehauen, in denen es um Sex geht. Ein Kandidat in New York muss sich rechtfertigen, weil ein Mitarbeiter aus Versehen eine Telefonsex-Nummer gewählt hatte - sie ähnelt der Nummer der Justizverwaltung des Staates New York.

Negativwerbung gegen Kerry

Auch George W. Bush hat von Negativwerbung profitiert. Zu seinem Sieg in der Präsidentenwahl vor zwei Jahren trug nicht unerheblich die Kampagne von Kriegsveteranen bei, die den Einsatz seines demokratischen Herausforderers John Kerry in Vietnam in Zweifel zogen.

Den wohl bekanntesten Negativ-Wahlspot dürften jedoch Demokraten geschaltet haben. Sie zeigten 1964, zwei Jahre nach der Kuba-Krise, eine Atomexplosion und deuteten an, dass der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Barry Goldwater, einen Nuklearkrieg anzetteln würde. Der Spot wurde nur einmal gesendet und nach Protesten zurückgezogen. Doch er wirkte. Der Demokrat Lyndon Johnson siegte haushoch.

In den neunziger Jahren untersuchten die Politikprofessoren Stephen Ansolabehere und Shanto Iyengar den Effekt von Negativ-Kampagnen und stellten fest, dass sie durchaus erfolgreich sind: Sie halten die Menschen vom Wählen ab - und zwar die, die potentiell Anhänger der geschmähten Kandidaten, aber nicht völlig entschieden sind.

Das ist bei Wahlen wie denen am 7. November nicht ganz unbedeutend, bei denen entscheidend sein dürfte, welche Partei am besten die ansonsten eher lustlosen Wähler mobilisieren kann. So ist es sicher kein Zufall, wie die Bundesorganisation der Republikaner ihr Werbebudget eingeteilt hat: 90 Prozent gehen in Negativ-Kampagnen.

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