Schmiergeld-Bericht von Transparency International:Geldgierige Richter schröpfen die Armen

Korruption gibt es überall auf der Welt, doch niemand leidet mehr darunter als arme Menschen. Die schlechtesten Erfahrungen gibt es mit Polizei und Justiz. In Zukunft wird es eher noch schlimmer - glauben nicht nur die Deutschen.

Bernd Oswald

Arme Familien leiden am meisten unter Forderungen nach Schmiergeld. Das ist der zentrale Befund des Global Corruption Barometer 2007 von Transparency International (TI), der am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurde. Das gilt sowohl für wohlhabende wie auch für ärmere Länder. Die Organisation, die von Deutschland aus weltweit gegen Korruption in Politik und Wirtschaft kämpft, bezeichent das als "Erpressung". Auf Haushalte mit niedrigem Einkommen wirke sie wie eine regressive Steuer, die die ohnehin knappen Haushaltsmittel aufzehrt.

Korruption ist ein weltweit verbreitetes Phänomen, sowohl was Länder als auch Branchen des öffentlichen Lebens betrifft. Am meisten verbreitet ist sie in Kamerun, Kambodscha und Albanien, wo mehr als 70 Prozent der Befragten von Schmiergeld-Forderungen berichteten, heißt es in dem Korruptionsbarometer 2007.

"Das diesjährige Global Corruption Barometer zeigt, dass viel zu oft Menschen Teile ihres hart verdienten Geldes für Leistungen aufbringen müssen, die eigentlich umsonst sein sollten", sagt Huguette Labelle, Vorsitzende von Transparency International.

210 Millionen Dollar Schmiergeld an russischen Gerichten

Am häufigsten kommen Schmiergeldforderungen in der Strafverfolgung vor. Jeder vierte Befragte, der mit der Polizei in Berührung kam, wurde nach Schmiergeld gefragt. Auf Platz zwei rangieren die Gerichte. Richter und Justizpersonal nehmen Schmiergeld an, um Fälle aufzuschieben oder zu beschleunigen, eine Berufung zu verweigern oder zu erlauben oder einen Fall auf eine bestimmte Art und Weise zu entscheiden, führt der Bericht aus.

Allein an Russlands Gerichten soll jedes Jahr eine geschätzte Summe von 210 Millionen Dollar an Schmiergeld fließen.

"Polizei und Justiz sind in vielen Ländern Teil eines Korruptionskreislaufs, der von Bürgern Schmiergeld verlangt, " sagt der Geschäftsführer von Transparency International, Cobus de Swardt zu diesem Phänomen.

Allerdings gibt es zwischen einzelnen Regionen wichtige Unterschiede.

In Europa ist das Gesundheitswesen der Sektor, in dem Schmiergeldforderungen am weitesten verbreitet ist.

Neben den persönlichen Erfahrungen werden die Bürger im Korruptionsbarometer auch danach gefragt, welche Institutionen sie als am meisten von der Korruption betroffen ansehen. Fast 70 Prozent der Befragten glauben, dass Parteien korrupt oder sehr korrupt sind. Auf Platz zwei mit rund 55 Prozent liegen die Parlamente, dicht gefolgt von der Polizei.

"Diese verstörenden Zahlen zeigen, dass eine Regierung sich mit einer Legitimitätskrise konfrontiert sieht, die das Potential in sich birgt, Demokratie, Stabilität und den Schutz der Menschenrechte zu untergraben", so de Swardt.

Am wenigsten bestechlich sind in den Augen der Befragten religiöse Institutionen und Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). Allerdings hat sich die Wahrnehmung der NGOs in den letzten Jahren ebenso verschlechtert wie die der Privatwirtschaft.

Pessimistische Deutsche

Immer mehr Bürger erwarten, dass die Korruption mittelfristig sogar noch steigen wird. In der jüngsten Erhebung sind das 54 Prozent der Befragten, 2003 waren es nur 43 Prozent gewesen.

Am pessimistischsten sind die Inder. 90 Prozent der Befragten erwarten eine Zunahme der Korruption. Deutschland liegt in dieser Statistik mit 69 Prozent bereits auf Platz sechs hinter Indien, den Philippinen, Großbritannien, den Niederlanden und dem Senegal.

Außerdem glaubt nur jeder dritte Befragte, dass seine Regierung Korruption wirksam bekämpft. TI-Vorsitzende Labelle sieht in der Forderung der Öffentlichkeit nach Rechenschaft von den Institutionen das beste Mittel das Übel der Korruption zu bekämpfen. Außerdem sieht sie ein gemeinsames Engagement von Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft als geeignete Maßnahme im Kampf gegen die Korruption.

Das Global Corruption Barometer spiegelt die Ergebnisse einer öffentlichen Meinungsumfrage wider, die die Wahrnehmung und Erfahrung von Korruption betrachtet.

Zwischen Juni und September 2007 wurden für die Studie 63.199 Personen in 60 Ländern befragt. Die Daten wurden vom Meinungsforschungsinstitut Gallup im Auftrag von Transparency International erhoben.

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