Es herrschen knackige 30 Grad in Moskau, doch hitzig geht es am Fronleichnamstag auch im Pressezentrum des russischen Fernsehsenders Rossija Segodnja ( Russland heute) zu, obwohl dieses mit einer gut funktionierenden Klimaanlage ausgestattet ist.
Fürs körperliche Wohlbefinden ist also durchaus gesorgt, als die deutsche Parlamentariergruppe, die in den vergangenen fünf Tagen durch Russland tourte, an diesem Ort ihre abschließende Pressekonferenz abhält. Es soll um die Bilanz der Reise gehen, also um das, was in Bezug auf die Annäherung zwischen Deutschland und Russland auf dem ersten Trip dieser Art seit der Bundestagswahl 2017 erreicht worden sei, nachdem die Beziehung zwischen den beiden Ländern im Zuge der Ukraine-Krise abgekühlt ist.
Das ist eigentlich bilaterales Alltagsgeschäft. Dass es trotzdem hitzköpfig zugeht, liegt ausgerechnet an dem heruntergekühlten Raum selbst, in dem die Veranstaltung stattfindet. Gleich mehrere Vertreter der versammelten deutschen Presse finden es nicht in Ordnung, die Fragestunde ausgerechnet hier abzuhalten: "Was hat die deutschen Abgeordneten veranlasst, hier vor dem Hintergrund von Sputnik aufzutreten, einem Medium, das bewusst Falschinformationen und Propaganda verbreitet?", lautet eine der Fragen.
Rossija Sewodnja steht hinter dem russischen Auslandsfernsehsender RT sowie dem Online-Portal und Radiosender Sputnik, die tatsächlich als Propagandasender des Kremls gelten. Insofern war die Frage berechtigt. Denn im Hintergrund prangen die Logos von Rossija Sewodnja in den russischen Nationalfarben weiß-blau-rot, was - so die Befürchtung der anwesenden deutschen TV-Journalisten - auf den Fernsehbildern in der Heimat den Eindruck erwecken würde, dass hier nun deutsche Parlamentarier im Auftrag der russischen Regierung sprächen.
Die Abgeordneten verteidigen sich. Das sei nicht mehr so einfach anders zu organisieren gewesen, sagt Gregor Gysi von der Linkspartei, der der Gruppe angehört. Der CDU-Abgeordneten Sylvia Pantel ist anzumerken, dass sie um Beherrschung ringt, als sie sagt: "Ich glaube, es kommt mehr darauf an, was wir sagen und welche Fragen gestellt werden, worauf wir frei antworten können." Sie habe nicht den Eindruck, "dass man versucht hat, uns mundtot zu machen oder bestimmte Meinungen nicht zuzulassen".
Dass die Raumfrage für Aufregung bei den Abgeordneten sorgt, liegt offensichtlich auch an der Vorberichterstattung über die Reise in der Bild-Zeitung, die die neben Gysi und Pantel anwesenden Bundestagsabgeordneten Robby Schlund (AfD), Doris Barnett (SPD), Michael Georg Link (FDP), und Michael von Abercron (CDU) sichtlich in Wallung gebracht hat.
"Der gesamte Besuch war mit der Gruppe geplant"
Die Bild hatte angeprangert, dass mit Schlund von der AfD ausgerechnet ein Putin-Fan die Abgeordnetenreise nach Russland leite, der alle weiteren Teilnehmer der Delegation unter seine Vormundschaft gestellt habe.
Die Anklage des Boulevardblattes lautete: Das Programm sei von Schlund an der deutschen Botschaft vorbei erstellt worden, die anderen Reiseteilnehmer hätten im Wesentlichen keinen Einfluss nehmen können und nun werde auch noch Propaganda im Sinne von Rossija Sewodnja betrieben.
Dem widersprechen in der Pressekonferenz so gut wie alle Beteiligten der Reisegruppe vehement: "Der gesamte Besuch war mit der Gruppe geplant", sagt etwa Gregor Gysi, "auch alle Besichtigungen, Besuche und Gespräche, die wir geführt haben. Außerdem bin ich der Deutschen Botschaft für die Unterstützung dankbar." Ähnlich äußert sich der FDP-Abgeordnete Michael Link.
"Eine Parlamentariergruppe kann Freundschaften entstehen lassen"
Was die Bundestagsabgeordneten auf ihrer Reise in Russland konkret erreicht haben, um das angespannte Verhältnis zwischen der EU und Russland in punkto Ukraine- und Krim-Krise sowie Sanktionsregime zu verbessern, geht angesichts dieser Fragen bezüglich des Ablaufs der Reise weitgehend unter: "Eine Parlamentariergruppe ersetzt nicht die Außenpolitik eines Landes", wiegelt Doris Barnett von der SPD ab: "Aber sie kann Freundschaften entstehen lassen. Wir sind nicht die großen Überflieger, wir gucken eher auf das Klein-Klein, und das alles kann dazu führen, dass sich die Zusammenarbeit verbessert."
Eine Parlamentarierreise ist eben ein Weg der kleinen Schritte, und wen interessiert der schon, es sei denn, er kann in Bezug zu dem großen Konflikt zwischen Russland und dem Westen gesetzt werden: "Wir haben als Abgeordnete viel dafür getan, um auf parlamentarischer Ebene Beziehungen zu verbessern", sagt Gregor Gysi im Pressezentrum von Rossija Sewodnija: "Sie interessieren sich ja nicht für die Ergebnisse, Sie interessieren sich ja nur für einen Raum, und das ist mir ehrlich gesagt viel zu wenig."