Schließung des Standorts Sigmaringen:Gesucht: Eine neue Kaserne für Stauffenberg

Verteidigungsminister de Maizière will den Bundeswehr-Standort in Sigmaringen schließen. Ausgerechnet diese Kaserne trägt als einzige den Namen des Hitler-Attentäters Stauffenberg. Die Familie des Widerstandskämpfers ist enttäuscht, weil sie nicht persönlich informiert wurde - jetzt wird um eine Ersatzlösung gerungen.

Peter Blechschmidt

Bundeswehr und Tradition - das ist bis heute ein heikles Begriffspaar. Nach dem immer noch gültigen Traditionserlass von 1982 können Kasernen und andere Einrichtungen der Bundeswehr nach Persönlichkeiten benannt werden, "die sich durch ihr gesamtes Wirken oder eine herausragende Tat um Freiheit und Recht verdient gemacht haben". Uneingeschränkt trifft dieses Kriterium auf den Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg zu. Das Andenken an ihn sehen Familie und Freunde allerdings durch die Auswirkungen der Bundeswehrreform gefährdet.

Verteidigungsminister besucht Kaserne in Sigmaringen

Sein Entschluss, die Graf-Stauffenberg-Kaserne in Sigmaringen zu schließen, stößt nicht überall auf Zustimmung: Verteidigungsminister Thomas de Maizière.

(Foto: dapd)

Auf Geheiß von Verteidigungsminister Thomas de Maizière soll der Standort Sigmaringen im südlichen Baden-Württemberg aufgegeben und damit die einzige deutsche Kaserne geschlossen werden, die den Namen Stauffenbergs trägt. Bei einem Besuch in Sigmaringen am vorigen Dienstag konnte der Minister einen Eindruck von dem Unmut gewinnen, den seine Entscheidung ausgelöst hat. Der älteste Sohn Stauffenbergs, Berthold Maria, ist enttäuscht, dass er von der Schließung aus der Zeitung erfahren musste. Anfang des Jahres schrieb der ehemalige Generalmajor der Bundeswehr an de Maizière, er hätte es für angemessen gehalten, wenn der Minister vor seiner Entscheidung Kontakt zur Familie aufgenommen hätte.

Auch in Offizierskreisen wird de Maizières Vorgehen als nicht sehr einfühlsam empfunden, was der Minister möglicherweise inzwischen selbst so sieht. Schon bei der Bekanntgabe seiner Stationierungsentscheidung im Oktober vorigen Jahres hatte er eingeräumt: "Eine Graf-Stauffenberg-Kaserne schließt man nicht so leichthin." In Sigmaringen versprach er jetzt, nach einer angemessenen Alternative zu suchen. Dazu werde er zunächst den Kontakt zur Familie Stauffenberg aufnehmen.

Problembewusstsein zeigte de Maizière auch dadurch, dass er den ehemaligen Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan am Dienstag nach Sigmaringen einlud. Schneiderhan ist jetzt ehrenamtlicher Vorsitzender der Stauffenberg-Gesellschaft Baden-Württemberg. In dieser Funktion dringt er auf eine überzeugende Alternativ-Lösung. "Sie muss deutlich machen, dass der Widerstand gegen die Nazi-Diktatur eine bedeutende Traditionslinie der Bundeswehr ist", sagt Schneiderhan.

In der Vergangenheit hat es immer wieder Diskussionen über das Traditionsverständnis der Bundeswehr gegeben. Dies lag unter anderem daran, dass die Bundeswehr bei ihrer Gründung 1955 notgedrungen auf Offiziere der alten Wehrmacht zurückgreifen musste, die ihrerseits zum Teil ihre alten Idole mitbrachten. Noch 2005 gab es heftigen Streit, als der damalige Verteidigungsminister Peter Struck von der SPD dem Jagdgeschwader 74 in Neuburg/Donau den Beinamen "Mölders" strich. Werner Mölders war ein Flieger-As im Dritten Reich.

Die Suche nach einer Einrichtung, die des Namens Stauffenberg würdig ist, fällt nicht leicht. Schneiderhan legt wegen der "emotionalen Bindung" der Familie Wert auf einen Standort in Baden-Württemberg. Aus dem Heer kommt der Vorschlag, einer der künftig noch existierenden Divisionen den Beinamen Stauffenberg zu geben, analog zur Luftwaffe, deren fliegende Verbände die Namen großer Fliegerpersönlichkeiten tragen. Für das Heer allerdings wäre die Benennung nach einer Person ein Novum und könnte weitere, auch strittige Begehrlichkeiten wecken.

Zuversichtlich stimmt die Stauffenberg-Gemeinde, dass de Maizière selbst in einer Tradition steht. Sein Vater Ulrich war einer der Mitbegründer der Bundeswehr.

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