Schleswig-Holstein:Wenn Gegensätze eine Einheit schmieden

Koalitionsverhandlungen in Kiel beginnen

So optimistisch die Verhandlungsführer Heiner Garg, Monika Heinold und Daniel Günther auf diesem Bild aussehen, so knifflig dürften die Gespräche über eine Jamaika-Koalition in Kiel noch werden.

(Foto: dpa)

Eine Jamaika-Koalition in Kiel wäre eine Notlösung. Trotzdem könnte das Bündnis ein Vorbild für den Bund sein.

Kommentar von Thomas Hahn

Langsam müsste Schluss sein mit den Anspielungen auf die Geografie der Karibik in den Reden schleswig-holsteinischer Politiker. Von der "Reise nach Jamaika" war zuletzt oft zu hören. Vor allem die Grünen sagten, der Weg sei weit, die Insel liege "nicht in der Nordsee".

Abgegriffene Sprachbilder sind der Preis für den Umstand, dass eine schwarz-grün-gelbe Nationalflagge zum Synonym für ein politisches Abenteuer geworden ist. Aber jetzt laufen die Verhandlungen ja zwischen CDU, FDP und Grünen. Mit Rhetorik allein kommen die Beteiligten nicht mehr weit. Ein Praxistest ihrer gesellschaftlichen Verantwortung hat begonnen.

Es geht dabei nicht nur um das kleine Land Schleswig-Holstein, das am 7. Mai seine Linksregierung aus SPD, Grünen und SSW abgewählt hat. Es geht dabei auch um eine Perspektive für den Bund. Die AfD ist trotz ihrer internen Querelen in die Landtage von Kiel und Düsseldorf eingezogen und wird wohl auch in den Bundestag kommen. Die übrigen Parteien verlieren also bundesweit Sitze an eine Partei, die als Partner ausscheidet. Die Folge sind knappe Mehrheiten, große Koalitionen - oder eben etwas ganz anderes.

Die einzige Jamaika-Koalition auf Landesebene scheiterte früh

Die Jamaika-Koalition im Land zwischen den Meeren wäre eine Notlösung, der letzte Ausweg vor Neuwahlen. Davon darf auch die Tatsache nicht ablenken, dass die Verhandlungsführer um CDU-Wahlgewinner Daniel Günther einen zügigen Abschluss bis 13. Juni vereinbart haben. Vor allem die Grünen sind abwartend gestimmt.

Das wurde auch beim Sonderparteitag am Dienstag deutlich, bei dem sich der Landesvorstand die Zustimmung zu den Verhandlungen holte. Skepsis prägte die Aussprache. Tenor: Wenn die anderen alle Alternativen von Schwarz-Rot bis Rot-Gelb-Grün ausschließen, können wir uns nicht auch noch stur stellen.

Die inhaltlichen Unterschiede sind teilweise schwerwiegend. Die Grünen, die am Ende der abgelaufenen Legislaturperiode einen Abschiebestopp afghanischer Flüchtlinge mittrugen, sind unter anderem in der Innenpolitik von der CDU weit entfernt. Der grüne Anspruch, die Landwirtschaft mit Öko-Standards nachhaltiger zu machen, widerspricht wiederum dem Bekenntnis der Liberalen zum freien Markt.

FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki findet grüne Moral umständlich, viele Grüne sehen in ihm einen selbstgefälligen Schnösel. Und die einzige Jamaika-Koalition, die es bisher auf Landesebene gab, zerbrach früh: Im Saarland liefen die Grünen 2009 zu CDU und FDP über, weil sie nicht mit der Linken von Oskar Lafontaine regieren wollten (zumindest sagten sie so). Das Bündnis soll anstrengend gewesen sein. Es hielt nur etwas mehr als zwei Jahre.

Die Parteien müssen ihre Ideologien überwinden

Das sind ungünstige Vorzeichen. Trotzdem liegt in den Kieler Verhandlungen eine Chance. Politische Vernunft hat viel damit zu tun, Ideologie zu überwinden. Wenn drei Parteien ihre besten Ideen zusammenwerfen, könnte daraus ein besonders ausgewogenes Programm werden. Vor allem FDP und Grüne kommen aus einer Kultur des freien Geistes - sich anderen Ansätzen zu öffnen müsste ihnen liegen.

Der Grüne Robert Habeck hat als Agrar-Minister ständig um Kompromisse im konservativen Milieu gerungen und es so zu großer Beliebtheit gebracht. CDU-Chef Günther hat seiner Partei ein paar mittelalterliche Flausen ausgetrieben. Und abgesehen davon, dass Kubicki professionell genug ist, um bei Bedarf auch mal kein Macho zu sein: Die Grünen dürfte er nicht zu sehr stören. Kubicki kandidiert für den Bundestag und ist von September an wohl in Berlin.

Eine Jamaika-Koalition erfordert mehr Weitsicht und Rücksichtnahme als ein Bündnis unter Ähnlichen. Wenn sie gut gemacht ist, schmiedet sie aus Gegensätzen eine tatkräftige Einheit. Das macht sie zu einem reizvollen Modell für die Zukunft.

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