Schleswig-Holstein:Klimaneutral bis 2040

Bei der CO₂-Bilanz will man bundesweit vorn liegen, verspricht die künftige Landesregierung in ihrem Koalitionsvertrag. Fünf Ministerien gehen an die CDU von Wahlsieger Daniel Günther, drei an die Grünen.

Von Peter Burghardt, Kiel

Die Kieler Woche läuft seit ein paar Tagen, endlich wieder, nach zwei Jahren Corona-Pause. Es ist das größte Segelbootereignis der Welt, mit Tausenden Seglern und wechselnden Winden, begleitet von Sommerfesten und Musik. Das größte Politikereignis Schleswig-Holsteins kam derweil ein wenig abseits der Förde im Kieler Zentrum zum vorläufigen Abschluss: In einem Konferenzraum der Wunderino Arena, in der normalerweise die Handballer des THW Kiel spielen und bald der Sänger Tom Jones auftritt, präsentierten CDU und Grüne am Mittwochnachmittag ihre vereinte Zukunft.

Gänzlich unbekannt ist das gemeinsame Terrain den beiden nicht. Man regiert schon miteinander, seit Daniel Günther 2017 etwas überraschend zum Ministerpräsidenten gewählt wurde und anschließend ein Jamaika-Bündnis zusammenstellte. Im Mai 2022 gewann der CDU-Mann aus Eckernförde erneut, diesmal erwartungsgemäß und sehr souverän, seine Union bekam 43,3 Prozent der Stimmen, er gilt inzwischen als beliebtester Ministerpräsident Deutschlands. Gemeinsam tanzten Wahlsieger Günther, seine Finanzministerin Monika Heinold von den Grünen (18,3 Prozent) und Wirtschaftsminister Bernd Buchholz von der FDP (6,4 Prozent) bei der CDU-Wahlparty in eben jener Wunderino Arena zum Gassenhauer "Helikopter 117".

Das war's dann aber mit Jamaika an diesen Ufern, denn einer war fortan überflüssig, es traf die liberalen Wahlverlierer. Das Trio ist im Zuge des Erfolgs zum Duo geschrumpft - eine dann doch neue Konstellation im deutschen Norden.

Schwarz-Grün gab es noch nie zwischen den Meeren, wo sich früher in mehr oder weniger langen Phasen SPD und CDU abwechselten. Der Regierungschef Günther entschied sich für die Grünen als Partner, obwohl die FDP konservativen Kreisen seiner CDU nähersteht. Die Grünen sind inzwischen zweitstärkste Kraft im Kieler Landtag, sie haben die abgestürzte SPD (16 Prozent) überflügelt. In diesem lichten Plenarsaal an der Ostseebucht, wo derzeit wieder so schön die Schiffe vorbeifahren, belegen CDU und Grüne 48 der 69 Sitze.

Beim Klimaziel lief es auf einen Kompromiss hinaus

Eine stabile Mehrheit, dennoch brauchen sich beide Partner. Im Falle eine Fortsetzung von Jamaika hätte Günthers Fraktion bei Abstimmungen jeweils auf Grüne oder FDP verzichten können. So trafen bei den Verhandlungen der zurückliegenden Wochen zwei sehr selbstbewusste Partner aufeinander - die sich dann recht zügig einigten.

"Voller Stolz" stellte Günther den Koalitionsvertrag vor. 244 Seiten hat das Papier, wobei auf der letzten nur noch die Namen der 24 Verhandler stehen, ganz oben die von Daniel Günther und Monika Heinold. "Ideen verbinden - Chancen nutzen", lautet der Titel, "Schleswig-Holstein gestalten." Das Fundament sei bereits in den vergangenen Jahren gelegt worden, verrät die Einleitung. "Uns verbindet der Anspruch, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft gemeinsam zu lösen". Man sei "bereit, dafür neue Wege zu gehen." Da mussten leicht unterschiedliche Positionen zusammenfinden, unter anderem beim Klimaschutz und der inneren Sicherheit.

Schleswig-Holstein will "das erste klimaneutrale Industrieland werden und dieses Ziel bis 2040 erreichen". Die Grünen wollten das 2035 schaffen, die CDU hatte 2045 vorgesehen, heraus kam dieser Mittelwert. Mit Sonne und Wind soll mehr Strom erzeugt werden, Solaranlagen sind auf Neubauten ab 2025 Pflicht, und man werde "weitere Flächen für die Windkraft zur Verfügung stellen". Bei den Windrädern hatte die Region zuletzt gebremst, um den Frieden bei Wählern und Koalitionären zu wahren. Der Krieg in der Ukraine hat die Lage auch in dieser windigen Gegend an Nord- und Ostsee verändert. Es steht außerdem der Bau eines LNG-Terminals in Brunsbüttel im Abkommen ("Multi-Energie-Terminal"), Wasserstoff ist ebenfalls ein Thema.

Es geht ansonsten um Bildung, Chancengleichheit und bezahlbaren Wohnraum, um eine Stärkung der Sicherheitsbehörden und eine "humanitäre Asyl- und Migrationspolitik". Bei der Landwirtschaft ist von "Entbürokratisierung und Digitalisierung" die Rede, von Klimaeffizienz und "Green Deal und Farm-to-Fork-Strategy". Die Suche nach "pragmatischen Lösungen" beim Verkehr klingt vorsichtiger, als es den Grünen möglicherweise lieb gewesen wäre. Das Ressort Wirtschaft, in dem die FDP die Mobilitätswende gebremst hatte, geht an die CDU. Fünf der künftig acht (statt bisher sieben) Ministerien besetzt die CDU, auch Inneres, Bildung (Karin Prien), Landwirtschaft und Justiz inklusive Gesundheit.

Den Grünen bleiben drei Posten: Tobias Goldschmidt soll Klimaschutzminister werden und Monika Heinold Finanzministerin bleiben, Aminata Touré mit 29 Sozialministerin werden. Wenn die Delegierten bei den Parteitagen am kommenden Dienstag dem Pakt zustimmen, dann wird Daniel Günther am Mittwoch im Amt bestätigt. "Meine Stimme", verspricht Monika Heinold, "hast du."

Zur SZ-Startseite

SZ PlusNeun-Euro-Ticket
:Sylt für alle!

Ein Strandtag für neun Euro plus Kurtaxe, so preiswert gab's das wohl noch nie. Auf der Insel finden viele die Idee mit dem Billigticket nicht gerade prickelnd. Und dann haben sich da auch noch ganz spezielle Gäste angesagt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: