Landtagswahl in Schleswig-Holstein:Plötzlich Kopf an Kopf

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Fernsehduell der Spitzenkandidaten im Norden

Sie gehen fair miteinander um: Ministerpräsident Torsten Albig von der SPD (links) und Herausforderer Daniel Günther von der CDU.

(Foto: dpa)

SPD-Ministerpräsident Albig und CDU-Spitzenkandidat Günther kämpfen in Schleswig-Holstein um die Macht. Es wird spannend bei der Landtagswahl am Sonntag.

Von Peter Burghardt, Kiel

An einem Tag mit Aprilwetter und Wahlprognose besucht Schleswig-Holsteins Ministerpräsident die Gaststätte "Zur Erholung". Das Wirtshaus ist noch älter als Torsten Albigs SPD, und es befindet sich in Uetersen im Landkreis Pinneberg am Rande von Hamburg. Kaum 100 Menschen sind gekommen, darunter viele Parteimitglieder.

Aber inzwischen scheint jeder Termin zu zählen vor der Landtagswahl am 7. Mai, jeder Wähler. "Ich bitte Sie erneut um Ihr Vertrauen", spricht Albig ins Mikrofon, seine Stimme hallt in diesem schummrigen Saal mit Bar und Bühne. "Sie können eine Weiche stellen, wie das Land noch gerechter, noch moderner und noch erfolgreicher werden kann."

Auf einmal muss er sich zumindest leichte Sorgen machen, ob ihm am kommenden Sonntag die Kreuze reichen werden. Er erkenne keine Wechselstimmung, sagt Albig zwar, wenn man ihn darauf anspricht. Die Umfragen änderten sich doch eh ständig, außerdem sei es immer knapp in Schleswig-Holstein.

2012 übernahm seine SPD mit den Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband SSW das Kommando, mit hauchdünnem Vorsprung auf CDU/FDP. In dieser Kombination würde Albig gerne weiter machen, bis vor kurzem schien die Küstenkoalition linker Prägung mit ihm und seinem grünen Vize Robert Habeck eindeutig beliebter zu sein als die konservative Konkurrenz. Jetzt sieht es so aus, als könnte es spannend werden.

Laut der jüngsten Erhebung bekäme die CDU im Nordwesten 32 Prozent und die SPD 31; die Grünen werden auf zwölf, Wolfgang Kubickis FDP wird auf 8,5 Prozent geschätzt. Die dänische Minderheitenriege SSW liegt bei 3,5 Prozent, sie braucht gemäß des Wahlgesetzes keine fünf Prozent. Die AfD (sechs Prozent) und die Linke (4,5) spielen keine große Rolle: Rechts und Links besetzen Rot-grün und Schwarz-gelb weitgehend selbst.

Der Kampf um den Posten des Kieler Regierungschefs also wird das übliche Zahlenspiel zwischen den beiden großen Parteien und möglichen Verbündeten. Die CDU zog im Land der zwei Meere offenbar fürs Erste an der SPD vorbei, ihr neuester Bewerber Daniel Günther wittert seine Chance. Dabei kannten ihn bis vor kurzem nur Experten.

Daniel Günther steht an einem anderen Regentag in Allwetterjacke vor einem Supermarkt in Altenholz bei Kiel, Tropfen fallen auf seine schmale Brille. Auch dies ist eher Pflicht als Vergnügen. Die CDU hat ein Zelt aufgebaut, Einkäufer kommen des Weges. Am Abend zuvor stand Günther in Mölln mit der Bundeskanzlerin vor einem größeren Publikum: Es könne und müsse sich etwas ändern in Schleswig-Holstein, verkündete Angela Merkel. Daniel Günther sei "ein toller Mann, der soll Ministerpräsident werden".

Zwar gibt es keine Schlachten mehr, doch wird die Wahl interessant

Dann reiste Frau Merkel weiter, um in Saudi-Arabien Weltpolitik zu machen, während Günther seinen Marathon durch die Basis fortsetzt. Bei der SPD sei der Schulz-Effekt weg, sagt er nun, "der Trend geht in unsere Richtung". Günther schmiedet Pläne: Als erstes werde man im Falle eines Wahlsieges die FDP fragen, und wenn es mit der FDP allein nicht reiche, dann auch die Grünen.

Das würde sich Jamaika-Koalition nennen, obwohl man sich Schwarz-grün hier oben schlecht vorstellen kann. "Und im Notfall 'ne Große Koalition", sagt Günther im Nieselregen, "aber möglichst nicht." CDU und SPD mögen sich zwischen Nordsee und Ostsee ja nicht besonders.

So wird diese Abstimmung interessant, auch wenn die Zeit der Schlachten in Schleswig-Holstein vorerst vorbei ist. Früher wurde bis aufs Blut gezankt, Uwe Barschel gegen Björn Engholm, Peter Harry Carstensen gegen Heide Simonis, Carstensen gegen Ralf Stegner.

Es gab einen mysteriösen Tod (Barschel) und eine geheimnisvolle Niederlage (Simonis), Stoff für Thriller und Verschwörungstheorien. Diesmal treten zwei freundliche Männer gegeneinander an. Der eine präsidentiell und durchaus populär - der andere forsch bemüht, sich mit bis zu sechs, sieben Auftritten pro Tag rasch einen Namen zu machen.

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