Schleswig-Holstein:Männer der Meere

"Das Beste am Norden sind unsere Frauen" - nicht in Kiel.

Von Ralf Wiegand

Vielleicht hätten sie Detlev Buck fragen sollen. Buck ist Regisseur, ein originales Nordlicht, und er weiß, wie man Frauen in Szene setzt. Der Vater von drei Töchtern hat schließlich nicht nur "Bibi & Tina" ins Kino gebracht, sondern für den NDR außerdem ein paar bereits unter Kultverdacht stehende Imagefilme gedreht. In einem dieser Spots sieht man Männer herumlaufen, jeder eine Frau aufm Arm oder über der Schulter; der Slogan dazu: "Das Beste am Norden - sind unsere Frauen."

Detlev Buck ist aber offenbar nicht gefragt worden, als es darum ging, das Land Schleswig-Holstein in einem Imagefilm als Gastgeber des Festes zum Tag der Deutschen Einheit gut aussehen zu lassen. Zwei Minuten und 28 Sekunden lang ist das Video, das die Kieler Staatskanzlei unter anderem für Social-Media-Kanäle selbst angefertigt hat. Das Beste am Norden? Frauen sind es wohl eher nicht - sie kommen im Film kaum vor.

"Tag der Deutschen Einheit 2019: SH lädt ein" lautet der nüchterne Titel des Filmchens, das Lust machen soll, am 2. und 3. Oktober das Land zwischen den Meeren zu besuchen. Oder nur die Männer der Meere? Schiffsbauer, Lotsen, Rapper, Altenpfleger, Behindertensportler, Wacken-Veterane, Forscher, Freilichtmuseumsbauern - die Gendersternchen kann man sich getrost sparen. Der Film zeigt fast nur Männer. Gut, eine Frau darf aufs Holstentor schauen, und der durchs Wasser pflügenden Robbe sieht man das Geschlecht nicht an. Ansonsten aber ist ganz Schleswig-Holstein wohl eine einzige Männerpension. (So heißt übrigens ein Film von Detlev Buck. Er handelt hauptsächlich von starken Frauen.)

Gleichstellungsbeauftragte mehrerer Institutionen kritisierten das Werbevideo der Staatskanzlei als peinlich fürs Land, der Deutsche Gewerkschaftsbund forderte sogar, es müsse ein "Remake" her: In Schleswig-Holstein seien schließlich 50 Prozent der Erwerbstätigen Frauen, im Bund seien es lediglich 48 Prozent.

Das alles ist überhaupt erstaunlich für jenes Bundesland, das als erstes von einer Frau regiert wurde. Heide Simonis war zwölf Jahre lang, von 1993 bis 2005, Ministerpräsidentin von Schleswig-Holstein. Am Ende plante sie sogar eine Regierung, die drei Frauen aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) führen sollten. Von da an ging's bergab mit den Frauen: Simonis ging in vier Wahlgängen unter, wegen einer fehlenden Stimme des "Heide-Mörders", mutmaßlich männlich. Seitdem hat es keine Frau mehr ins Chefbüro der Kieler Staatskanzlei geschafft.

Das Imagevideo zum Tag der Einheit will die Landesregierung übrigens als eine Art Amateurfilm verstanden wissen. Für das Fest seien im Landesetat zwar 4,2 Millionen Euro veranschlagt, für diese Art Eigenwerbung aber: nix. Also hätten sich zwei Mitarbeiter des hauseigenen Videoteams 30 Stunden Material etwa bei Firmen und Vereinen zusammengebettelt und daraus jene zweieinhalb Minuten gezaubert, ganz unpolitisch, ungegendert. Am Ende soll der Clip, den auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel beim Festakt am 3. Oktober in Kiel sehen werden, schlappe 4500 Euro gekostet haben - dafür hätte man Detlev Buck wohl auch nicht bekommen.

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