Schleswig-Holstein:Das Ende einer unglückseligen Koalition

Der Wahlkampf hat bereits begonnen: CDU und SPD in Kiel streiten nur noch über den Weg, wie es in Schleswig-Holstein zu Neuwahlen kommen kann.

Jens Schneider, Kiel

Er müsse an Max Frisch denken, an den Biedermann und an den Brandstifter, den der Biedermann sich ins Haus geholt habe. Mit diesen Worten wandte sich Johann Wadephul, der CDU-Fraktionschef im Kieler Landtag, an die Sozialdemokraten.

Schleswig-Holstein: Männerfehde: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU, links) und Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner würdigen sich im Kieler Landtag keines Blickes.

Männerfehde: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU, links) und Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner würdigen sich im Kieler Landtag keines Blickes.

(Foto: Foto: dpa)

Und er ließ keinen Zweifel daran, wer für ihn im Lager der SPD, die auch an diesem Freitag noch immer der Regierungspartner seiner CDU ist, der Brandstifter ist: Ralf Stegner, Partei- und Fraktionschef der SPD. Mit derben, sehr persönlichen Attacken solcher Art trieben die CDU und SPD am Freitagvormittag die Trennung ihrer zuletzt unglückseligen großen Koalition voran.

Noch ist die Neuwahl nicht beschlossen, aber der Wahlkampf hat bereits in aller Heftigkeit begonnen. Stegner konterte auf die Angriffe mit heftiger Kritik an Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU). Er warf ihm ein "parteitaktisches Manöver" vor.

Ein Land in Geiselhaft?

Eigentlich sollte es um die Frage gehen, ob der Landtag von Schleswig-Holstein aufgelöst wird, um Neuwahlen zu ermöglichen. Doch die Parteien nutzten die Situation für eine Generalabrechnung. Niemand stellte noch in Zweifel, dass es vorgezogene Neuwahlen geben wird, auch die SPD nicht. "Die Würfel sind gefallen", sagte der Christdemokrat Wadephul. "Es wird Neuwahlen geben müssen", machte SPD-Chef Stegner klar.

Der Ministerpräsident habe mutwillig den Koalitionsvertrag gebrochen, indem er gemeinsam mit der Opposition die Auflösung des Landtags beantragt habe. Auch weiterhin aber will Stegner nicht dem von der CDU und den Oppositionsparteien eingeschlagenen Weg folgen und einer Landtagsauflösung zustimmen. Er kündigte für die Abstimmung am Montag die Ablehnung an und forderte Carstensen auf zurückzutreten, wenn er nicht weiterregieren wolle.

Seiner Begründung für diesen Antrag fehlten "Glaubwürdigkeit und Anstand". Die SPD sei nicht unzuverlässig. Die CDU wolle die Neuwahlen allein in der Hoffnung, bei einem Wahltermin zeitgleich zur Bundestagswahl vom Bundestrend zu profitieren. Stegner empfahl Carstensen den Rücktritt. Es wird aber erwartet, dass Carstensen kommende Woche die Vertrauensfrage stellt und damit Neuwahlen erzwingt.

Seine Partei habe jedes Vertrauen in die SPD-Führung verloren, begründete CDU-Fraktionschef Wadephul die Entscheidung für Neuwahlen. Stegner habe zu oft an Beschlüssen mitgewirkt und sich dann davon distanziert. Nach Darstellung Wadephuls hat Stegner die SPD Schleswig-Holsteins in "eine Geiselhaft" genommen und die Politik der Partei allein seiner persönlichen Profilierung untergeordnet. Tatsächlich gab es in der SPD-Fraktion zuletzt intern heftige Kritik am ständigen Konfrontationskurs Stegners. Nach außen hin aber stehen die Genossen bisher geschlossen hinter dem Partei- und Fraktionschef, der in den eigenen Reihen ohne Herausforderer ist.

"Körperkontakt mit Bürgernähe verwechselt"

Stegner widersprach im Parlament dem Eindruck, dass der Koalitionskrach durch Animositäten zwischen ihm und Carstensen ausgelöst wurde. "Persönliche Befindlichkeiten haben in den Hintergrund zu treten", sagte er und wollte den wahren Grund für den Koalitionsbruch bei Carstensen sehen. Der wolle von seinem schwachen Ansehen in der Wirtschaft des Landes ablenken. "Auch ich habe Fehler gemacht", räumte Stegner mit Blick auf den Streit in der Koalition ein. "Ich habe sicherlich auch sprachlich nicht immer den richtigen Ausdruck gefunden." Carstensen aber flüchte mit einer "kalt vorbereiteten Inszenierung" aus der Verantwortung.

Die Fraktionen von Grünen und SSW (Südschleswigscher Wählerverband) machten die Spitzen beider Parteien für das Scheitern verantwortlich. Der Grüne Karl-Martin Hentschel bescheinigte den Akteuren "mangelnde soziale Kompetenz und mangelnde politische Gestaltungsfähigkeit". In Carstensens Staatskanzlei herrsche das Chaos. Sowohl Carstensen als auch Stegner hätten ihre Schattenseiten offenbart und nach Kräften zum Scheitern beigetragen, befand die SSW-Abgeordnete Anke Spoorendonk. Sie warf Carstensen fehlendes Geschick vor.

Der leutselige Politiker habe "Körperkontakt mit Bürgernähe" verwechselt. Stegner wiederum habe keine Gelegenheit ausgelassen, sich vom Chef der Koalition abzugrenzen und "undiplomatische und überhebliche Kommentare" abzugeben.

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