Schleswig-Holstein:Abschied nach der Abwahl

Nach der Wahlniederlage der SPD kündigt der bisherige Regierungschef Torsten Albig seinen Rückzug aus der Politik an.

SPD-Landesparteitag in Lübeck

Torsten Albig gilt vielen Genossen als der Hauptgrund für die klare Wahlniederlage der SPD in Schleswig-Holstein.

(Foto: Carsten Rehder/dpa)

Noch vor zehn Tagen blickte Torsten Albig auf den Plakaten der SPD selbstbewusst in die Zukunft. "Mehr Gerechtigkeit für alle", versprach der Ministerpräsident. "Wir machen das." Dann ging die Landtagswahl am 7. Mai krachend verloren, und jetzt hat Albig seinen Rückzug aus der Politik angekündigt. Er stehe für eine weitere Amtsperiode nicht zur Verfügung und werde auch sein Landtagsmandat nicht wahrnehmen, teilte der 53-Jährige am Dienstag in Kiel schriftlich mit. Verzögert zog Albig die Konsequenz aus einer Niederlage, die der bisherigen Koalition aus SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband die Mehrheit gekostet hat.

Überraschend kommt die Entscheidung nicht, als unglücklich galt nur der Zeitpunkt. "So, wie ich es meiner Partei schon unmittelbar nach der Wahl mitgeteilt habe, darf eine künftige Regierungsbildung zwischen progressiven Parteien in Schleswig-Holstein nicht an der Frage scheitern, wer diese Regierung führt", schrieb Albig. Das klang, als wolle er damit den Weg für eine rechnerisch mögliche Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP ebnen. Die Liberalen hatten ein solches Bündnis zunächst nur mit einem Ministerpräsidenten Albig ausgeschlossen, aber eine halbe Stunde vor Albigs Erklärung gab der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki bekannt: "Die Bereitschaft der Freien Demokraten, in Gespräche über eine Ampel-Koalition einzutreten, ist erschöpft - definitiv."

Kubicki war verärgert, weil der SPD-Landeschef Ralf Stegner zu Mitgliedern des SPD-Bundesvorstandes in Berlin gesagt habe, er sei sich sicher, dass die Ampel in Schleswig-Holstein zustande komme. Stegner wies das zurück, versicherte aber vor der Sitzung des SPD-Landesvorstands am Dienstagabend in Kiel, dass er weiter auf eine Ampel hoffe. "Ich glaube, heute hat sich fundamental nichts geändert", man werde über ein Angebot für "ernsthafte Sondierungsgespräche" entscheiden.

Auch Torsten Albig nahm an der Versammlung teil. Doch seine Karriere lief im Grunde schon am Wahlabend aus. Genossen gaben dem Juristen schnell die Hauptschuld an dem Machtverlust, damit sollte vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen wohl vor allem der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz geschützt werden. Als ungünstig galt vor allem ein Interview mit dem Magazin Bunte, in dem Albig auch über Gründe für die Trennung von seiner ersten Frau sprach. Weniger schädlich schien dagegen ein Gespräch von FDP-Frontmann Kubicki ebenfalls in Bunte gewesen zu sein.

Bei Torsten Albig hat das Ende der politischen Liebe außerdem damit zu tun, dass zuletzt auch mutmaßliche Geschäfte seiner Lebensgefährtin, einer PR-Beraterin, zum Thema wurden. Er wolle, so Albig, jedweder "substanzlosen Unterstellung der Vermischung öffentlicher und privater Interessen den Boden entziehen". So endet sein beachtlicher Aufstieg. Albig war Sprecher des Bundesfinanzministeriums und Kieler Oberbürgermeister, gewann 2010 den Kampf um die SPD-Spitzenkandidatur gegen den mächtigen, aber bei vielen Genossen unbeliebten Stegner und wurde 2012 zum Regierungschef gewählt. Der Verbund aus Rot, Grün und dänischer Minderheit harmonierte unter seiner Führung, allerdings wurde Albig als zunehmend farblos und pastoral kritisiert. CDU-Wahlsieger Daniel Günther nennt den Abschied seines Rivalen eine "respektable Leistung". Für Wolfgang Kubicki von der FDP ist es "ein längst überfälliger Schritt". Albig habe "anders als Hannelore Kraft den Zeitpunkt eines würdevollen Abgangs verpasst".

Kommt nun eine Jamaika-Koalition? Günther und die grüne Finanzministerin Monika Heinold gaben am Dienstag nach einem Sondierungsgespräch bekannt, dass Union und Grüne am kommenden Dienstag über die Aufnahme von Verhandlungen entscheiden wollen. Wobei Umweltminister Robert Habeck (Grüne) darauf hinwies, der Weg zu einem Jamaika-Bündnis sei "unendlich weit". Möglich wäre auch eine große Koalition. Ohne Torsten Albig.

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